BIM to Field unterstützt Installateur

BIM to Field unterstützt Installateur

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AUTOR: RENÉ SENN, FOTOS: RENÉ SENN


Dass auch Elektroinstallateure Projekte mit digitalen BIM-Technologien effizient begleiten können, zeigt der Praxisreport aus dem Kanton Graubünden.

«Mein Ziel, Savognin». Dieser Werbeslogan aus den 90er-Jahren dürfte wohl noch vielen bekannt sein. Savognin war an einem Freitagnachmittag Anfang Juli auch mein Ziel, aber nicht zum Wandern, sondern um zu sehen, wie die Digitalisierung unsere Branche verändert. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, eine Reportage zum Thema «Der Elektroinstallateur und die konkrete BIM-to-Field Anwendung» zu schreiben. Aber warum in Savognin und nicht beispielsweise in Brüttisellen oder Zürich, die doch viel näher gelegen hätten, zumindest für mich? Weil Innovation eben keine Grenzen oder Hotspots kennt und nicht in Metropolen entsteht, sondern in Köpfen und dank dem Willen von Menschen, etwas Besonderes zu leisten und neue Technologien konsequent anzuwenden. Selbst dann, wenn dies zu Beginn einen Mehraufwand bedeutet. Zwei solchen Menschen bin ich in Savognin begegnet.

Weiterentwicklung dank Kooperation

Der eine ist Alex Wettstein, Inhaber der Elektro Wettstein SA in Bivio und Savognin. Er treibt die Digitalisierung seiner Arbeit, bzw. der Elektrobranche mit viel Engagement voran. Sein Slogan lautet «100% digital – einfach weitergedacht». Das bedeutet, dass er nicht nur die Gebäudeautomation konsequent einsetzt, sondern auch digitale Planungstools für die Realisierung seiner Projekte.

Der andere ist Achille Christoffel, Geschäftsführer bei Enavent AG in Malans, einem Planungsbüro für Gebäudetechnik. Auch Achille setzt seine Projekte nur noch digital um, sein Leistungsausweis in diesem Bereich ist beeindruckend. «Die Elektrobranche hat noch sehr grossen Nachholbedarf in Sachen BIM», meint er jedoch bedauernd. In diesem Projekt unterstützt er Alex mit seiner Infrastruktur und seinem Knowhow bezüglich BIM to field. Die beiden arbeiten seit vielen Jahren zusammen, was absolut bemerkens- und erwähnenswert, so etwas gibt es nicht alle Tage. Mein Besuch in Savognin zeigt, dass die Zusammenarbeit wunderbar funktioniert und beide Unternehmen davon profitieren.

Schnell und präzis
Mit dem Rapid Positioning System (RPS) werden die einzelnen Messpunkte mit Hilfe des tragbaren Tablet-PC nacheinander auf die Schalung projiziert.

Schnell und präzis
Mit dem Rapid Positioning System (RPS) werden die einzelnen Messpunkte mit Hilfe des tragbaren Tablet-PC nacheinander auf die Schalung projiziert.

Neue Technologien nutzen, nicht nur darüber reden

Beim Projekt Veia Caross, dem Bau eines Mehrfamilienhauses mit 13 Wohnungen und einer Tiefgarage in Savognin, ist Alex sowohl für die gesamte Elektroplanung als auch für die Umsetzung der Installation zuständig. Er plant wo immer möglich in 3D. Weil der Architekt die Pläne für dieses Projekt nicht in diesem Format liefern konnte, erstellte Alex sie in Eigenregie mit seiner CAD-Software, so dass er nun über ein komplettes 3D-Modell des Gebäudes verfügt. Für ihn ist die Planung so um ein Vielfaches einfacher, auch wenn das Zeichnen der Pläne zu Beginn einen gewissen Mehraufwand darstellt. «Ich konnte dank meinem digitalen Vorgehen die eine oder andere Ungereimtheit in der Koordination der Haustechnik im Keller bereits in der Planungsphase verhindern. Leider bin ich aber bei diesem Projekt der einzige Planer, der mit 3D-Daten und dem BIM-Modell arbeitet», erläutert Alex die Vorteile und den Stand der Dinge in der Branche. Er erzählt auch, dass er schon vieles gelernt und optimiert habe und jeden Tag noch dazu lerne. Zudem hat er schon Ideen, wie er die Planung noch etwas einfacher und noch digitaler ausführen könnte. «Es reicht nicht, die bisherigen Prozesse 1:1 zu übernehmen, vieles muss neu gedacht werden. Das ist ein Prozess, der mich laufend beschäftigt und antreibt», berichtet er zu Beginn unseres Treffens.

«Wenn aus dem Elektroinstallateur ein Elektro-BIM-stallateur wird»

Von der Planung auf die Baustelle

So kommen wir zu folgenden Fragen: Was bedeutet BIM für den Installateur? Wie hilft ihm der BIM-Prozess konkret, und wie nutzt Alex die Digitalisierung beim Einmessen, bzw. Einzeichnen seiner Installationen auf der Schalung?

An diesem Freitagmittag hatte ich die Gelegenheit, die Antworten live zu erleben. In seinem Büro in Bivio zeichnet Alex die Elektropläne mit seiner CAD-Software bzw. direkt in seinem 3D-BIM-Modell. Der erstellte Plan sieht auf den ersten Blick so aus, wie wir ihn seit vielen Jahren kennen. Darauf folgt aber nun als zweiter Schritt die Digitalisierung der Installation. Auf dem Elektroinstallationsplan werden in der CAD-Software für jeden Lampendübel, jede Durchführung und jeden Schalungsschoner sogenannte «Field Points» platziert. Diese Punkte sind genau vermasst und digitalisiert und können später auf der Baustelle wieder ausgelesen und genutzt werden. Die Daten der so ergänzten Pläne exportiert Alex pro Geschoss direkt aus seiner Software auf einen USB-Stick oder in die Cloud. Der Export besteht aus einem CAD-DWG- und einem Daten-File mit den digitalen Field Points.

Auf der Baustelle an der Veia Caross in Savognin trifft sich Alex am späten Nachmittag mit Achille Christoffel. Die Bauarbeiter sind bereits im Wochenende, und es herrscht Ruhe auf der Baustelle. Achille, bzw. seine Firma, verfügt über ein Gerät für Absteck- und Messarbeiten im Innen- und Aussenbereich. Es ist relativ teuer, die Anschaffung lohnt sich aber schnell, wenn es intensiv genutzt wird. Alex hat, obwohl er schon lange in 3D zeichnet, erst vor kurzem mit dem digitalen Abstecken seiner Einlagen begonnen. Dank der Kooperation mit Achille kann er von dessen grossem Erfahrungsschatz profitieren und braucht nicht zwingend selber ein solches Gerät, das heisst, die Kooperation schöpft hier zusätzliches Potenzial aus. Achille wiederum sieht, wie diese Technologie in der Elektroinstallation genutzt werden kann, wie mögliche Prozesse im Datenfluss laufen sollten und wie CAD-Daten von Dritten aufbereitet sein müssen. Beide erweiterten so ihr Wissen, sie tun aber auch etwas Aussergewöhnliches dafür.

Alex Wettstein und Achille Christoffel
Alex Wettstein und Achille Christoffel auf der Baustelle an der Veia Caross in Savognin

BIM to Field im konkreten Projekt

Dann geht es los. Achille hat die Daten von Alex auf dem robusten, baustellensicheren Tablet gespeichert. Zusammen stellen sie das Mess- und Absteckgerät auf, um die Field Points genau einzumessen. Dazu dienen drei Referenzpunkte, die anhand des Plans mit der Realität abgeglichen, bzw. eingemessen werden. Nun ist das BIM-to-Field-Absteckgerät bereit, um jeden einzelnen Field Point aus den CAD-Daten auf der echten Gebäudedecke millimetergenau anzuzeigen. Dies geschieht mit einem grünen Laserpunkt, der den auf dem Tablet angewählten Field Point, zum Beispiel eines Lampendübels, auf +/- 3 mm genau an der Decke anzeigt. Alex markiert die per Laser angezeigte Stelle und beschriftet sie wie gewohnt mit Neocolor. Zusätzlich wird der Punkt auf dem Tablet bestätigt und somit dokumentiert. Und schon kann der nächste Datenpunkt, zum Beispiel ein Schalungsschoner, ausgewählt, auf der Schalung «abgesteckt», markiert und bezeichnet werden. Über 120 solche Punkte kann ein geübter Anwender pro Stunde markieren. Damit ist dieses Vorgehen um ein Vielfaches genauer und schneller als das bisherige Einmessen von Hand mit Plan, Massband und Meter. Zusätzlich erstellt das System einen Report, der alle Field Points dokumentiert. Die Daten des Einmessens können auch wieder in die CAD-Daten «zurück-importiert» werden, um Abweichungen auf der Baustelle mit den ursprünglichen CAD-Daten zu vergleichen und wo nötig abzugleichen. Was auch für mich als «ursprünglichen» Elektriker kaum zu glauben war: Es gab keinen einzigen ausgedruckten Plan auf der Baustelle, und es hat dennoch funktioniert.

 

Eindrücklich!
Es gab keinen einzigen ausgedruckten Plan auf der Baustelle. Alex Wettstein (l) und Achille Christoffel (r)

Eindrücklich!
Es gab keinen einzigen ausgedruckten Plan auf der Baustelle. Alex Wettstein (l) und Achille Christoffel (r)

Es gibt noch einiges zu tun

Natürlich gab es auch an diesem Nachmittag das eine oder andere, das nicht auf Anhieb funktionierte. So ist es zum Beispiel relevant, wie die Field Points nummeriert und wie die Daten übermittelt werden. Auch die Darstellung und Strukturierung der Pläne möchten Alex und Achille in zukünftigen Projekten anpassen. Aber genau diese Erfahrungen bringen sie jedes Mal einen Schritt weiter bis hin zu Perfektion. Wie dieser Weg aussehen könnte, wurde im Anschluss an die Arbeit noch bis spät in die Nacht im Scuntrada in Tinizong bei einer warmen Suppe, Bündner Trockenfleisch und einem hausgemachten Eistee ausgiebig diskutiert.

Was zählt, ist das Tun

Der Ausflug hat sich mehr als gelohnt, ich bin mir sicher, auch für unsere Leser. Digitalisierung ist heute machbar, die Technologie ist verfügbar, die Vorteile sind sichtbar. Die Hemmschwelle ist der Mehraufwand, und es braucht den nötigen Druck. Der Weg ist für viele noch weit. Wer sich jetzt aber aufmacht, die Strapazen auf sich nimmt, wird sehen, dass es sich lohnt. Ein erstes Ziel könnte eine «Bildungsreise» nach Savognin sein.

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