Mit Knallgas in eine zündende Zukunft
Hyundai NEXO: Mit Wasserstoff nachhaltiger vorwärtskommen
Mit Knallgas in eine zündende Zukunft
Hyundai NEXO: Mit Wasserstoff nachhaltiger vorwärtskommen
Alternativen zu fossilen Treibstoffen sind im Aufwind. Neben batterieelektrischen Antriebssystemen wird Wasserstoff als karbonfreier Energieträger in der Mobilität von Morgen eine Rolle spielen. Warum Wasserstoff besser, nachhaltiger, sicherer als andere Energieträger ist.
Text, Foto, Video: Jade Ament
Jade Ament studiert Kommunikation mit der Vertiefung Journalismus an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Werkstatt «Multimediales Storytelling»
Ein sonniger Frühlingsmorgen in einem Waldstück. Die Vögel geben den Ton an. Und doch ist die idyllische Kulisse gestört: Die Abgase der nahegelegenen Autobahn ziehen hoch, der dumpfe, monotone Verkehrslärm ist allgegenwärtig. Es herrscht Rushhour.
Wer selbst im Auto sitzt, ist sich kaum bewusst, welche Mengen an Abgasen dem Auspuff entweichen. Ein kleiner Benziner, der auf der A1 von Zürich nach Bern unterwegs ist, emittiert über 20 kg CO2 – das sind elf Kubikmeter klimaschädigendes Gas für 120 gefahrene Kilometer. Die Bilanz für Diesel sieht besser aus, dafür aber wirken sich hier die Feinstaub- und Stickoxidbelastung negativ auf die Ökobilanz aus.
Karbonfreier Energiespeicher
Christian Bach forscht seit 30 Jahren an der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) im Bereich Fahrzeugantriebssysteme. Bach ist überzeugt, dass kein Weg an dem leichtesten und energiedichtesten Gas des Universums vorbeiführe, um die Energiewende zu meistern: «Wasserstoff ist für die Nutzbarmachung von überschüssiger erneuerbarer Elektrizität interessant. Gerade in der Mobilität ist Wasserstoff zukunftsfähig, da keine CO2-Emissionen entstehen.» Rund ein Drittel des gesamten Schweizer CO2-Ausstosses entstammt dem Verkehr. Das revidierte CO2-Gesetz soll dies ändern. Es will den Markt für alternative und effizientere Antriebssysteme wie die Brennstoffzelle fördern.
Kein Verzicht dank neuer Technologien
Mehrere Schweizer Firmen und Institute treiben die Brennstofftechnologie voran. Zum einen betreiben das Paul-Scherrer-Institut und die Empa die nötige Forschung, um Langlebigkeit und Wirkungsgrad der Brennstoffzelle zu erhöhen. Zum anderen sind Firmen wie H2-Energy und Hydrospider entstanden, welche zusammen mit dem Autohersteller Hyundai die ersten 50 wasserstoffbetriebenen LKWs auf Schweizer Strassen brachten. Und dies ganz ohne staatliche Förderung.
Fakten zur Brennstoffzelle
Neuere Brennstoffzellen erreichen Nennleistungen von 200 W und weisen einen Wirkungsgrad von etwa 60 % aus. Für die Anwendung im Fahrzeug werden mehrere hundert Brennstoffzellen in Reihe geschaltet, um Leistungen zwischen 50 kW bis 100 kW zu erreichen.
Die Brennstoffzelle ist im Gegensatz zur Batterie ein kontinuierlicher Energiewandler, der chemische Energie in elektrische Energie umsetzen kann. Diese Arbeitsweise ähnelt dem Verbrennungsmotor. Angesichts der Gesamtenergiedichte und der Reichweite ist die Energieumwandlung einer Brennstoffzelle deutlich vorteilhafter als die einer Batterie, die für dieselbe Energiemenge viel grösseren Bauraum und Masse benötigt. (Quelle: TU Braunschweig)
Patrick Huber, Chairman der H2-Energy AG, ist stolz auf das Erreichte: «Der Ansatz von Umweltparteien basiert meistens auf Suffizienz. Wir möchten den Klimawandel durch neue Technologien stoppen.»
Auch im Personenwagen-Bereich tut sich was: Der Hyundai NEXO ist eines der ersten Serien-Brennstoffzellenfahrzeuge überhaupt.
«Eine Explosion ist praktisch unmöglich»
Warum Wasserstoff gerade jetzt seinen Durchbruch feiert, erklärt sich Patrick Huber folgendermassen: «Durch den Einsatz der Nanotechnologie konnte die Stabilität der Brennstoffzelle und damit die Kommerzialisierung vorangetrieben werden. Der zentrale Treiber ist jedoch die Energiewende, welche ohne Wasserstoff nicht umgesetzt werden kann.»
Wer H2 hört, erinnert sich an eindrückliche Knallgasexperimente in der Schulzeit. Dass es bei einem Unfall zu einer Explosion komme, ist laut Christian Bach aufgrund der Eigenschaften von Wasserstoff praktisch unmöglich. Die Risiken insgesamt seien nicht höher als bei Benzin.
Benzindämpfe konzentrieren sich in Bodennähe und sind sehr leicht brennbar. Wasserstoff hingegen verflüchtigt sich sehr rasch. Dadurch wird kaum die nötige Volumenkonzentration in der Luft erreicht, um eine Detonation zu erzeugen. Ist der H2-Tank einer hohen Umgebungstemperatur ausgesetzt, wirkt ein Sicherheitsmechanismus. Die Ventile werden automatisch geöffnet und Gas tritt aus, bevor der Tank bersten könnte. (Quelle: Christian Bach, Empa)
Erneuerbare Energie geht verloren
2019 gingen in Deutschland 6.5 Terrawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Energien verloren, da zu Spitzenzeiten mehr erneuerbarer Strom erzeugt wurde, als das lokale Stromnetz aufnehmen konnte. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Gesamtenergieverbrauch der Schweiz belief sich 2019 auf rund 57 TWh. Hiervon wurden drei TWh Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen (Wasserkraft ausgenommen). Dies geht aus der Schweizerischen Gesamtenergiestatistik 2019 hervor. Patrick Huber sieht gerade hier das grosse Potential des Wasserstoffs: «Dort wo überschüssige Energie nicht ins Netz gespeist werden kann, wäre die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff netzunabhängig möglich und daher sehr sinnvoll.»
Schweizweit nur acht Tankstellen
Thomas Schumann, Leiter des Technoparks Winterthur, sieht die Herausforderung bei der Speicherung des Wasserstoffs: «Die Diffusion des H2 und der hohe Druck sind problematisch, da sind spezielle Kompressoren, Ventile, Druckbehälter und Sensoren nötig.» In diesen Segmenten gäbe es aber innovative Schweizer Firmen, die einen technischen Vorsprung hätten, so Schumann weiter. Um Wasserstoff als Treibstoff für die breite Masse zugänglich zu machen, fehlt vorerst die Infrastruktur. Derzeit sind schweizweit gerade einmal acht H2-Tankstellen in Betrieb (Stand: Mai 2021). Diese sind teilweise technisch noch nicht wirklich ausgereift, wie Christian Bach bestätigt. Darauf wurde auch das e-Trends-Team vor der Testfahrt mit dem Hyundai NEXO aufmerksam gemacht. Und prompt war bei der Testfahrt eine der zwei angefahrenen Tankstellen nicht betriebsbereit.
Auch die Erdölindustrie investiert
Das Rohstoffhandelsunternehmen Trafigura hat sich letztes Jahr an H2-Energy beteiligt, woraus Hydrogen-Europe entstand. Für Patrick Huber steht die Beteiligung in keinem Widerspruch zum Nachhaltigkeitsanspruch von H2 Energy: «Durch die Zusammenarbeit mit Erdölfirmen können wir die Skalierbarkeit von Projekten erreichen. Aber wir müssen in der Umsetzung unserer Visionen konsequent und bedingungslos einen nachhaltigen Ansatz verfolgen.» Huber betont mehrfach, wie wichtig es sei, die Firmen nach Ihren Handlungen und nicht nach ihrem Ruf zu beurteilen: «Shell ist zentral und hat absolut gesehen wahrscheinlich am meisten in Studien zur Wasserstoffmobilität investiert.»
Mit Zweitgutachten gegen Halbwahrheiten
Christian Bach ist nicht nur Forscher, er wird auch regelmässig für Diskussionen zu Wasserstoff oder für Zweitgutachten zurate gezogen. Wo nachhaltig investiert würde, sei grüner Wasserstoff eine interessante Option für Anleger, so Bach. «Über das Thema werden aber viele Halbwahrheiten geschrieben, da der Gesamtkontext nicht einbezogen wird. Das Thema Wasserstoff scheitert nicht an der Technik, es scheitert am Ende womöglich an der Kommunikation.»
Impressum
Autor: Jade Ament
Bilder: Jade Ament
Video: Jade Ament
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