An der frischen Luft: Expo Energietechnik in Niederurnen
Die Glarner Expo Energietechnik möchte das Fachpublikum aus der gesamten Deutschschweiz ansprechen. Ist ihr das gelungen?
Von René Senn (Text und Bilder)
Wir haben uns am zweiten Messetag, dem 31. August 2023, in Niederurnen ein Bild von der überregionalen Energiemesse gemacht, die vom Ingenieurbüro IBG Engineering AG bereits zum zehnten Mal organisiert wurde.
Eigenständiges Konzept
Was unterscheidet die Energie Expo von anderen Messen in der Schweiz? Sie ist klein und als Zeltstadt aufgebaut. Obwohl sie dadurch auch vom Wetter abhängig ist, ist sie seit der ersten Durchführung 2013 stark gewachsen. Dieses Jahr waren 96 Aussteller anwesend. Ein Erfolg für den Veranstalter, Chapeau!
Gut erreichbar und besucherfreundlich
Der Ausstellerandrang ist eventuell auch den fehlenden interessanten Alternativen in der Messelandschaft Schweiz im Energiebereich geschuldet. Die Frage, ob die Expo Energietechnik eine überregionale Messe ist, lässt sich auf dem Parkplatz relativ gut beantworten. Es waren hauptsächlich Nummernschilder aus der Ostschweiz, aber auch vereinzelt aus anderen Kantonen zu sehen. Auch ein «BE» haben wir ausgemacht. Diese Statistik ist aber sicher nicht repräsentativ.
Die Messe ist mit dem Auto gut zu erreichen, Niederurnen liegt zwischen der Ostschweiz und der Metropolregion Zürich. Die Parkplätze sind gratis und befinden sich direkt vor dem Haupteingang. Die Messestände sind modular aufgebaut und schlangenförmig in einer Reihe angeordnet. Am Schluss ist der Cateringberich zu finden. All dies und die Grösse der Messe sind für die Besucherinnen und Besucher natürlich sehr, sehr angenehm. Passt das Thema fachlich, ist die Expo Energietechnik sicher einen Besuch wert.
Themenfokus ist vorhanden
Die Aussteller präsentierten vor allem Produkte und Dienstleistungen für den Netz- und Freileitungsbau, die Energie- und Notstromversorgung sowie Energiesysteme und Strassenbeleuchtungen. Die Zielgruppen dürften Energieversorgungs-Unternehmen, Leitungsbaufirmen und Gemeinden sowie Kommunen sein.
Ein «normaler» Elektroinstallateur oder -planer kommt hier hingegen kaum auf seine Kosten. Für diejenigen aber, die ausserhalb des Gebäudes mit Energie und Kommunikation zu tun haben, ist die Expo Energietechnik eine attraktive Plattform für den Austausch zu Trends und Neuigkeiten für den Arbeitsalltag.
Die Messe ist ganz klar ein Branchentreffpunkt. Man spricht entspannt über aktuelle Themen der Branchen, Installationsgewohnheiten und Neuheiten, hie und da blitzt gegen Abend an den Messeständen auch ein Bierchen auf. Das Standpersonal hatte Zeit und war für alle Fragen offen.
Kosten-Nutzen ist schwer abzuschätzen
Ob sich der Aufwand für die Aussteller gelohnt hat, ist für uns als untypische Besucher schwierig abzuschätzen. Während die Besucherzahlen nach Aussagen einiger Hersteller am ersten Messetag (Mittwoch) noch sehr gut waren, war der Donnerstag aus unserer Sicht eher mässig besucht.
Das Wetter war ideal, nicht zu heiss und kein Regen. Wir selbst nutzten deshalb den Tag für viele interessante Gespräche mit den Experten der Aussteller und kamen voll auf unsere Kosten.
Hohe Fachkompetenz an den Ständen
Die Zeit verging wie im Flug, das ist ein gutes Zeichen. Spannend war, dass wir auf allen Ständen ausschliesslich versierte Fachkräfte mit grossem Wissen in ihrem Bereich angetroffen haben.
So haben wir durch die zahlreichen Diskussionen und Gespräche viel gelernt. Zum Beispiel über EMV, Verkabelungskonzepte, Ladestationen und Lastmanagement-Systeme sowie über Kabelverlegung und elektrisch angetriebene, umweltfreundliche Kabelspillwinden.
Auch die Themen Blitzschutz, Weiterbildung, Strassenleuchten, Trafos und Notstromaggregate, Energie- und Feldverteiler, Schutzausrüstungen oder Unterflur-Verteilern waren vertreten.
Nachfolgend einige Statements der Aussteller, die wir zusammengetragen haben, um einen kleinen Einblick in das Spektrum der Messe zu geben.
Vetter Plumett AG / Plumettaz SA
Auf dem Messestand war der neue OptiJet™ Reporting ausgestellt. Jeder, der mit Kabelverlegung, insbesondere mit der Verlegung von Glasfaserkabeln zu tun hat, kennt dieses und ähnliche Geräte. Es ist ein leistungsfähiges, intelligentes und zukunftsweisendes Einblassystem, das neue Massstäbe beim Einblasen von Glasfaser-Mikro- und Minikabeln sowie Bündelfasern setzt. Es können Kabeldurchmesser von 1,5–8,0 mm in Rohr-AD von 5 bis 16 mm mit einer Schubkraft von maximal 150 N eingeblasen werden.
Neben dem Optijet präsentierte das Team der Vetter Plumett AG eine weitere Weltneuheit, die vollelektrische Kabelspillwinde, mit der dank Elektromotor auch in Gebäuden und Tunnels ohne CO₂-Emissionen – und dank direktem Elektroantrieb auch viel leiser – Kabel eingezogen werden können. Die Zugkraft der Winde beträgt bis zu 30 kN.
CFW EMV-Consulting AG
Die Firma CFW EMV-Consulting AG mit Sitz in Reute AR ist ein führendes Unternehmen auf dem Gebiet der magnetischen Abschirmtechnologie. Dass ein Kabel nicht gleich Kabel ist und dass insbesondere im Bereich von EMV und Energieverlusten grosse Unterschiede bestehen, erfuhren wir von Geschäftsführer Marcel Fischbacher.
CFW-Kabel verfügen über einen speziellen Aufbau, der «Schlag» der einzelnen Adern ist immer gleich, wodurch die Leitungsverluste und die magnetischen Felder rund um diese Kabel kleiner sind.
CFW hat seine Kabel eigentlich aus der Not heraus entwickelt, erzählt Marcel Fischbacher: «Messungen an abgeschirmten Anlagen, die mit herkömmlichen TT-Zuleitungskabeln erschlossen wurden, zeigten, dass diese Kabel unsere ganzen Anstrengungen bezüglich Abschirmung wieder zunichtemachten. So haben wir ein eigenes Kabel entwickelt, das EMV-technisch nachweislich und messbar deutlich besser ist.» Der Erdleiter ist bei diesem Kabel im Zentrum angeordnet, und die Pol- und Aussenleiter sind gleichmässig darum herum verdrillt.
Elvatec AG
Blitz- und Überspannungsschutz sowie Erdungssysteme sind die Kernkompetenz der Elvatec AG. Wir haben darüber diskutiert, warum viele Installateure bei BEV-Ladestationen sowie bei Solaranlagen oft keinen Blitz- oder Überspannungsschutz einbauen. «Eventuell ist immer noch vielen nicht bewusst, dass durch einen Blitzeinschlag die Elektronik des neu angeschafften Elektrofahrzeugs massiv beschädigt werden kann. Eine kostspielige Erfahrung, die ich als Installateur nicht machen möchte», erklärt uns Thomas Doswald von Elvatec AG auf dem Messestand.
So wie Hersteller von Schnellladestationen auf einen passenden Blitzschutz achten, sollten auch normale Installateure die Ladestationen bzw. Wallboxen der Privatkunden schützen. Ein Produkt, das mit der Argumentation «Sicherheit und Schutz für das Fahrzeug» eigentlich ohne Probleme an Endkundinnen und -kunden gebracht werden kann.
Zaptec AG
Das norwegische Unternehmen hat sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Ladelösungen spezialisiert. Zu Beginn agierte die Firma noch unter dem Namen Novavolt AG in der Schweiz. Heute ist diese Niederlassung in die Zaptec AG eingegliedert. Sascha Mazzocut und Pero Simic präsentierten ihre Produkte. Zu sehen waren die neue Zaptec Pro mit von aussen ablesbarem MID-Zähler sowie das neue kleine Modul Zaptec Sense, ein Sensor für den Sicherungskasten, der hilft, den Strom so intelligent wie möglich zu nutzen und gleichzeitig vor Überlast zu schützen, dies mit dem Ziel, so viele Elektrofahrzeuge wie möglich und so schnell wie möglich mit dem verfügbaren Strom zu laden.
Wieland Electric AG
Der Hauptsitz des deutschen Familienunternehmens ist Bamberg. Die Schweizer Niederlassung, die Wieland Electric Schweiz AG, befindet sich in Winterthur. An der Messe präsentierte das Team von Wieland seine steckbare und zeitsparende Flachbandkabellösung, die sich vor allem für die Installation in Mehrfamilienhäusern eignet. Neu ist die Abgangsbox, mit der bei einzelnen Stationen bei Bedarf sehr einfach zum Beispiel ein FI-Schutzschalter zwischen Flachbandkabel und Anschlussleitung zur Wallbox gesteckt werden kann.
Hager Schweiz
Der Hersteller aus Emmenbrücke war ebenfalls auf der Messe vertreten. Energieverteilung ist bei Hager natürlich ein grosses Thema. So präsentierte das Team das neue Stecksockelsystem Uniway, das in den drei verschiedenen Nennstromausführungen 125, 160 und 250 A verfügbar ist.
Es ist ein System mit vielen Möglichkeiten und bietet Planern sowie Schaltanlagenherstellern ein Maximum an Flexibilität. Dank dem 5-Leiter-System lässt sich eine breite Vielfalt von Modulgeräten schnell und einfach einspeisen.
Das System Uniway ist fingersicher und erlaubt lastfreies Arbeiten unter Spannung ohne persönliche Schutzausrüstung. Und natürlich wurde auch die Witty Familie, die BEV-Ladestationen von Hager, die bis zu 22 kW Leistung erbringt, auf dem Messestand präsentiert. Der kleine Bobby-Car dürfte damit innerhalb weniger Sekunden geladen sein.
Demelectric AG
Buchstäblich bodenständig ist das Produkt, das im Zentrum der Messepräsentation der Demelectric AG aus Geroldswil stand. Es handelt sich um einen Unterflurverteiler mit aufpflastbarem Deckel, der auf der Messe vor allem Vertretern von Gemeinde- und Stadtwerken imponierte.
Installiert auf einem Dorfplatz, bietet er alle möglichen Anschlüsse von Frischwasser über Abwasser bis zu Strom oder auch Glasfaser. Wird er nicht gebraucht, verschwindet alles wieder im Boden und ist dank des massiven Deckels jederzeit geschützt und für Laien kaum sichtbar.
Von Tobias Rickenbach haben wir erfahren, dass diese Verteiler sogar in Fussballstadien installiert werden, wobei der Deckel mit Kunstrasen belegt wird. Wer das nächste Mal einen Elfmeter schiesst, sollte mal schauen, ob sich unter dem Punkt ein solcher Verteiler befindet. Kleiner Scherz, denn gemäss Tobias Rickenbach sind die Verteiler in den Randzonen installiert. Sollte ein Spieler darüber laufen oder rutschen, merke er aber nichts davon.
Kommentar der Redaktion
Wir gratulieren der IBG Engineering AG zur bereits zehnten Expo Energietechnik. Für Besuchende ist die Messe sehr angenehm, da klein, fein und überschaubar. Für die Hersteller ist der Aufwand dank den «Standard-Zeltständen» ebenfalls relativ gering. Der Eintritt ist gratis, und alles findet an der frischen Luft statt. Wenn das Wetter hält, ist das grossartig. Sollte es regnen, dürfte das zumindest die Fachleute aus dem Themenbereich Energietechnik nicht abschrecken, die sich bei der Arbeit jedes Wetter gewohnt sind.
Das Thema der Messe, die Energietechnik, ist klar und gut strukturiert. Die Anzahl und Vielfalt der Aussteller sind gut, für eine (eher) regionale Messe sogar sehr gut. Dass IBG so viele Aussteller aus dem Bereich Energietechnik gewinnen konnte, ist beeindruckend. Die «… über die Schweizer Landesgrenze hinaus bekannteste Elektrofachmesse», wie es auf der Webseite heisst, ist es jedoch aus unserer Sicht eher nicht. Es gibt in der Schweiz sicher grössere und bekanntere Messen im Bereich Elektrotechnik wie die Electro-Tec oder die Ineltec, die aktuell mit «Reloaded» einen Neustart wagt. Die unter den Zielgruppen aufgeführten Architekten dürften zwar in Niederurnen eher weniger fündig werden, aber für alle, die sich mit dem Thema Energietechnik, Leitungsbau usw. auseinandersetzen, ist die Expo Energietechnik einen Besuch wert.
Für das leibliche Wohl ist mit einem grossen Catering-Zelt und einigen Foodtrucks bestens gesorgt. Was noch Potenzial hat, ist aus unserer Sicht die Kommunikation via Webseite und den sonst bei Messen üblichen Informationen für die Fachbesucher. Eine eigene Webseite mit Anfahrtsplan, Informationen zum ÖV und weiteren Informationen zu den Ausstellern würde der Messe noch zu etwas mehr Publizität verhelfen. Bleibt sie ihrem Motto treu und fokussiert sich wie gehabt auf die Energiethemen (Energieversorgung, Leitungsbau, Energietechnik, Freileitungsbau, Glasfaser usw.) dürfte sie auch in Zukunft erfolgreich sein. Zum Schluss bleibt zu sagen: IBG Engineering AG, wir wünschen euch viel Erfolg für die nächsten zehn Jahre!
Impressum
Autor: René Senn
Fotos: René Senn
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