Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
Lokale Stromproduktion und Verbraucher koppeln
Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
Lokale Stromproduktion und Verbraucher koppeln
Oft ist im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) von Photovoltaik die Rede. Dass es auch mit Wasser- statt Solarstrom geht, zeigt das Beispiel des Energiepark z’Brigg.
Autor: Stefan Brändle, Fotos: Rhonewerke AG
Bereitstellen von umweltfreundlicher und erneuerbarer Energie: Das ist die Idee hinter dem Energiepark z’Brigg, der zurzeit in Niederernen im Goms entsteht. In einer Biogasanlage und einem Holzpelletwerk sollen regionale Rohstoffe in hochwertige Energieträger umgewandelt werden. In einem ersten Schritt wird das Holzpelletwerk realisiert, in dem das einheimische Waldholz zu Hackschnitzel verarbeitet, getrocknet, zermalmt und zu kleinen Pellets gepresst wird.
Schon in der Konzeptphase hatten die Initianten des Energieparks die Vision, die Holzpellets möglichst CO2-neutral und mit örtlich produzierter erneuerbarer Energie herzustellen. So werden die Hackschnitzel im Energiepark mit einem Bandtrockner getrocknet, der mit minderwertigen Holzschnitzeln aus Holzresten, die im Forstrevier anfallen, befeuert wird.
Die Pelletpresse und die weiteren Komponenten für Herstellung, Lagerung und Verlad der Pellets weisen eine elektrische Anschlussleistung von 520 kVA auf. Bei geplanten 2000 Betriebsstunden der Anlage liegt der voraussichtliche Energieverbrauch des Energieparks bei etwa 1 Mio. kWh pro Jahr. Um das Ziel einer möglichst CO2-neutralen Holzpelletproduktion zu erreichen, musste eine geeignete Energiequelle gefunden werden. Das nahe gelegene Wasserkraftwerk Ernen erzeugt jährlich ca. 185 GWh. Warum also nicht den Stromverbrauch und die Stromproduktion innerhalb eines ZEV koppeln?
ZEV – wie funktioniert das?
Grundsätzlich ist ein Betreiber einer Energieerzeugungsanlage daran interessiert, die Energie zu einem möglichst guten Preis zu verkaufen. Der Endverbraucher jedoch möchte die Energie zu einem möglichst tiefen Tarif beziehen. Nicht immer deckt sich die Produktion mit dem Stromverbrauch über den Tag gesehen. Deshalb kennt die schweizerische Gesetzgebung spezifische Regelungen, die eine Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) oder einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) ermöglichen. Damit können mehrere Endverbraucher sogar parzellenübergreifend zusammengeschlossen werden und den innerhalb des ZEV erzeugten Strom selbst verbrauchen.
Um einen ZEV zu bilden, muss die Produktionsleistung der Anlagen des ZEV jedoch mindestens 10 Prozent der Anschlussleistung am Anschlusspunkt betragen. Weiter gilt für die Bestimmung der Produktionsleistung des ZEV, dass nur Anlagen berücksichtigt werden können, die mindestens während 500 Stunden pro Jahr betrieben werden (vgl. Art.Ê15 EnV). Was heisst das konkret für den Energiepark z’Brigg?
ZEV mit einem Wasserkraftwerk?
Der Energiepark z’Brigg befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Wasserkraftwerk Ernen der Rhonewerke AG. Die Parzellen grenzen direkt aneinander. Um den Energiebedarf des Energieparks mit günstiger, erneuerbarer Energie zu decken, wurde schon früh im Projektverlauf das Gespräch mit den Verantwortlichen der Rhonewerke AG gesucht, um allenfalls einen ZEV zu gründen. Die Anschlussleistung der neuen Trafostation für den Energiepark beträgt 1000 kVA. Mit rund 40 MVA liegt die Produktionsleistung des KW Ernen um ein Vielfaches höher, somit sind alle Voraussetzungen für einen ZEV erfüllt.
Für einen ZEV mit einem Wasserkraftwerk gab es jedoch noch ein paar technische und auch betriebliche Herausforderungen zu meistern. Aus diesem Grund hat sich der Energiepark z’Brigg als Bauherr Hilfe bei der Schnyder Ingenieure VS AG, die Teil der Amstein + Walthert Gruppe ist, als externem Berater geholt.
Weil die Kapazität des bestehenden Netzanschlusses des Forstbetriebs nicht ausreicht, um die Holzpelletanlage zu betreiben, ist bei einem ZEV mit der Rhonewerke AG die Pelletproduktion direkt von der Anlagenverfügbarkeit des KW Ernen abhängig. Ausserdem wird das Kraftwerk zur Blindleistungsregulierung verwendet, was starke Spannungsschwankungen zur Folge haben kann. Deshalb müssen der Betrieb der Pelletanlage mit der Produktion des KW Ernen abgestimmt und die neue Trafostation mit einem Spannungsregler ausgerüstet werden.
«Schon in der Konzeptphase hatten die Initianten des Energieparks die Vision, die Holzpellets möglichst CO2-neutral und mit örtlich produzierter erneuerbarer Energie herzustellen.»
ZEV oder Netzanschluss?
Neben den technischen Herausforderungen eines ZEV mit dem KW Ernen spielt auch seine wirtschaftliche Betrachtung eine wesentliche Rolle, insbesondere weil im Kraftwerk für den Anschluss eines zusätzlichen Verbrauchers eine neue Mittelspannungsschaltanlage installiert werden muss, was erhebliche Investitionen erfordert. Demgegenüber fallen bei einem regulären Netzanschluss am örtlichen Verteilnetz Netzanschlussgebühren an. Aus Kostensicht ist der Netzanschluss am örtlichen Verteilnetz die günstigere Variante und bietet ausserdem die gewohnt hohe Verfügbarkeit eines Schweizer Stromnetzes. Die Stromversorgung des Energieparks über den ZEV mit dem KW Ernen bringt höhere Anfangsinvestitionen mit sich und ist aufgrund von geplanten und ungeplanten Ausserbetriebnahmen des Kraftwerks unsicherer als jene des örtlichen Verteilnetzes.
Auf lange Sicht hingegen steht die Variante ZEV erheblich besser da. Mit der kostengünstigeren Energie des Kraftwerks können die Mehrkosten des ZEV bei den geplanten 2000 Betriebsstunden der Anlage schon nach einigen Jahren amortisiert werden. Da die Pelletproduktion planbar ist und auf Vorrat Pellets produziert werden können, spielt die geringere Verfügbarkeit der Stromversorgung auch nur eine untergeordnete Rolle.
Diese Überlegungen haben dazu geführt, dass der ZEV ganz klar die zu favorisierende Variante darstellt. Mit der Rhonewerke AG konnte man sich schliesslich rasch über den ZEV einigen und die Umsetzung starten.
ZEV im Betrieb?
Es gibt noch nicht viele Erfahrungen, die mit einem ZEV mit einem Wasserkraftwerk gemacht wurden. Diese müssen beide Seiten erst noch machen. Danach werden sicher Optimierungen z.B. in der Abstimmung der Pelletproduktion an die Produktion des Kraftwerks nötig sein.
Die Stromversorgung wurde im Juli 2020 in Betrieb genommen. Ab Anfang/Mitte August sollten Pellets produziert werden können.
Stefan Brändle ist Teamleiter und Experte Erneuerbare Energie sowie Energiestadtberater bei Amstein + Walthert AG Zürich
Impressum
Autor: Stefan Brändle
Fotos: Rhonewerke AG
Informationen
Veröffentlicht am: