Anpassungen für den Fehlerschutz auf Baustellen gemäss NIN 2020
Automatische Abschaltung im Fehlerfall
Anpassungen für den Fehlerschutz auf Baustellen gemäss NIN 2020
(Bild: upklyak / Freepik)
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Mit der Inkraftsetzung der NIN 2020 wurden die Anforderungen an den Fehlerschutz generell angepasst – was wiederum grosse Folgen für die Unternehmen hat.
Autor: Urs Schmid
Generelle Anpassungen: Kapitel 4.1 Schutz gegen elektrischen Schlag
Mit der Inkraftsetzung der NIN 2020 (Niederspannungs-Installationsnorm, SN 411000:2020) wurden die Anforderungen an den Fehlerschutz generell angepasst. So müssen Endstromkreise ≤ 63 A mit einer oder mehreren Steckvorrichtungen eine Abschaltzeit von 0,4 Sekunden einhalten (Abbildung 1). Diese Anpassung der Abschaltzeiten wird häufig mit dem Einsatz der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) für den zusätzlichen Personenschutz verwechselt. Die Forderung an den Zusatzschutz bleibt jedoch unverändert. Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IDn ≤ 30 mA sind für freizügig verwendbare Steckvorrichtungen ≤ 32 A gefordert.
Anpassungen im Kapitel 7.04 Baustellen
Hier wurde ein kleiner Abschnitt hinzugefügt – mit grossen Folgen. Im Kapitel 7.04.4.1.1.3 wird der Fehlerschutz ergänzt mit dem Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) für Steckdosenstromkreise > 32 A. Mit dieser Bestimmung wird der Schutz durch die automatische Abschaltung gefordert und keine zusätzliche Schutzmassnahme. Für den Fehlerschutz durch automatische Abschaltung werden typischerweise selektive Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit IDn 100 mA oder 300 mA Bemessungsdifferenzstrom eingesetzt.
Das Verwenden von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IDn ≤ 30 mA für freizügig verwendbare Steckvorrichtungen ≤ 32 A ist selbstverständlich auch hier gefordert.
Das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) hat mit der Mitteilung vom 17. März 2020 die Übergangsfrist für die Anwendung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen für Steckdosenstromkreise > 32 A neu geregelt (siehe Abbildung 2). Bis spätestens 31.12.2023 müssen sämtliche Baustromverteiler umgerüstet sein.
Die allgemeine Übergangsfrist der NIN 2020 würde hier unzumutbare und unverhältnismässige wirtschaftliche Folgen mit sich bringen, weshalb sie in diesem Fall verlängert wurde.
Vermeiden von Fehlauslösungen
Damit Fehlauslösungen von RCDs die Baustellen nicht ungewollt stilllegen, ist ein koordinierter Einsatz unerlässlich. Hierfür ist es wichtig, den zu detektierenden Fehlerstrom zu kennen, um den geeigneten Typ RCD zu definieren. Betriebsbedingte Ableitströme und magnetische Fremdfelder sind weitere Fehlerquellen, die es zu vermeiden gilt:
Fehlerströme ≠ Ableitströme
Aufgrund ihrer Funktion (Differenzstrom wird detektiert) kann die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)
eher betriebsbedingte, überwiegend kapazitive Ableitströme nicht von den überwiegend ohmschen Fehlerströmen wie Isolationsfehlern, Verschmutzung und Feuchtigkeit oder gar einer Person, die ein spannungsführendes Teil berührt, unterscheiden. Aus diesem Grund muss alles unternommen werden, um betriebsbedingte Ableitströme möglichst gering zu halten. Ungewollte Auslösungen vermeidet man, indem der Ableitstrom einer Anlage im ungestörten Betrieb einen Drittel des Bemessungsdifferenzstroms (IDn) der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung nicht übersteigt.
Magnetische Einflüsse
Starke magnetische Fremdfelder können den magnetischen Auslöser von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen beeinflussen. Und das Einschalten eines grossen, unmittelbar neben einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung montierten Schützes (> 100 A) kann eine Abschaltung verursachen. In diesen Fall kann man entweder die Distanz zwischen der Störquelle und der betroffenen Fehlerstrom-Schutzeinrichtung vergrössern oder zwischen der Störquelle und der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung eine Abschirmung anbringen.
Kapazitive Ableitströme von Leitungen
Alle elektrischen Betriebsmittel und Leitungen haben eine Kapazität gegen Erde. Eine Leitungskapazität bildet einen Kondensator zwischen dem Aussenleiter und der Erde. Eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung wird deshalb den kapazitiven Ableitstrom des Aussenleiters als Fehlerstrom erkennen und ihn abschalten, wenn er gross genug ist. Verwendet man kurzverzögerte oder selektive Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen, verhindert dies die durch Einschaltspitzen entstehenden Auslösungen.
Fazit
Die Anwendung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung für Steckdosenstromkreise > 32 A auf Baustellen bedeutet auf jeden Fall eine Verbesserung des Fehlerschutzes und somit auch eine Verbesserung des Personenschutzes. Diese normative Verbesserung muss in Einklang mit den technischen Herausforderungen gebracht werden. Die Herausforderung besteht darin, die auftretenden Fehlerströme genau zu kennen oder zu analysieren, um die Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen zu koordinieren.
Hinweise zu Autor und Quellen
Autor
Urs Schmid, dipl. Elektroinstallateur, ist Leiter Fachkurse bei Electrosuisse und Mitglied des TK 82. Er leitet regelmässig Schulungen und ist Mitautor von verschiedenen Fachpublikationen.
Quellen
SN 411000:2020, Niederspannungs-Installationsnorm NIN 2020
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