ESTI-Weisung: Was ist neu?

Bereits seit Juni 2021 ist die ESTI-Weisung Nr. 220, Version 0621, «Anforderungen an Energieerzeugungsanlagen» in Kraft. Es lohnt sich, sie anzuschauen, denn sie klärt viele alltägliche Fragen. Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.


Autor: Daniel Rölli


Als wichtige Änderung fällt in der neuen Weisung die Plangenehmigungspflicht für Energieerzeugungsanlagen (EEA) weg. Dadurch wird das Aufsichtssystem für solche Anlagen angepasst und eine Meldepflicht für die Netzbetreiber eingeführt. Das Ziel der Weisung ist es, die Sicherheitsanforderungen der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen und der Starkstromverordnung bei Energieerzeugungsanlagen zu präzisieren und Anwendungsregeln für die Rückspeisung der erzeugten Elektrizität festzulegen. Es werden die Schutzmassnahmen sowohl gegen elektrische Gefahren als auch gegen unzulässige Rückspeisung in das Niederspannungsverteilnetz und den Schutz des Verteilnetzes aufgezeigt. Weiter beschreibt und konkretisiert die Weisung die Aufsicht sowie Meldepflicht und stellt dafür verbindliche Regeln auf. Die Weisung gilt für Energieerzeugungsanlagen und Energiespeicher, die parallel mit dem Niederspannungsnetz des Verteilnetzbetreibers mit Niederspannung betrieben werden.

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Anwendungsgebiet

Typische Anwendungen sind PV-Anlagen, Notstromanlagen (USV) und Netzersatzanlagen, sofern sie mit dem Niederspannungsverteilnetz parallel betrieben werden und auf dem Markt erhältlich sind, sowie bidirektionale Ladestationen von Elektrofahrzeugen. Die Weisung gilt nicht für Anlagen, die planvorlagepflichtig bleiben, bei denen eine Rückspeisung aus technischen Gründen nicht möglich ist oder für Anlagen, die nicht mit dem Niederspannungsverteilnetz verbunden sind (Inselbetrieb). Dazu gehören Notstromanlagen (USV), die weder dauernd noch kurzzeitig mit dem Niederspannungsverteilnetz parallel betrieben werden. Für Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen (steckerfertige Klein-Photovoltaikanlagen) gelten diese Weisungen ebenfalls nicht. Bezüglich dieser Thematik hat das ESTI eine Mitteilung herausgegeben (siehe Kasten «Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen»).

Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen

«Kleine» PV-Anlagen werden als steckerfertige Erzeugnisse angeboten. Solche Anlagen können auf Balkonen, Fassaden und auf Dächern montiert und mit einem Typ-12- oder Typ-23-Stecker in einer Aussensteckdose eingesteckt werden. Bei einer Überlastung löst die vorgeschaltete Schutzeinrichtung des Endstromkreises nicht korrekt aus. Deshalb dürfen pro Bezügerleitung nur mobile PV-Anlagen bis zu einer AC-seitigen Nennleistung von maximal 600 W an freizügigen 230-V-Steckdosen eingesteckt sein. Es ist zwingend entweder eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (PRCD, Typ B, 30 mA) im Netzkabel auf der AC-Seite des Erzeugnisses einzubauen, oder es ist eine allstromsensitive Fehlerstrom- Überwachungseinheit (RCMU) im Wechselrichter/Netzschnittstelle eingebaut. PV-Modul, Wechselrichter, evtl. Batteriemodul und Netzschnittstelle müssen eine Einheit bilden, um zusammen mit dem Netzanschlusskabel, dem Kabelstecker und PRCD als steckbares Erzeugnis nach NEV zu gelten. Die Nutzenden müssen solche gesteckten PV-Anlagen muss ihrem Netzbetreiber vor Inbetriebnahme schriftlich melden. 

Schutzvorrichtungen

Für den Netzanschluss von EEA ist ein Entkupplungsschutz (Netz- und Anlageschutz) nach Angaben des Netzbetreibers vorzusehen. Der Netz- und Anlageschutz (NA-Schutz) sichert die Schutzfunktion für Spannung, Frequenz und Inselnetz-Erkennung. Abhängig von der Nennleistung der EEA wird der Schutz mittels einer separaten Überwachungseinheit oder mit integriertem NA-Schutz sichergestellt. Eine EEA darf die Kommunikationssysteme (z. B. Rundsteueranlagen, PLC) der Netzbetreiberin nicht beeinflussen. Die Funktion des Kommunikationssystems der Netzbetreiberin hat Vorrang, und die Anlage muss vom Netz getrennt werden können.

Bewilligung für die Installation von PV-Anlagen
Bewilligung für die Installation von PV-Anlagen
Kontrolle der Installation von PV-Anlagen
Kontrolle der Installation von PV-Anlagen.

Anlageschalter

Der Anlageschalter ist in der Praxis immer wieder ein Thema. In der Weisung wird diese Thematik ebenfalls beschrieben. Anlageschalter bzw. Kuppelschalter sind Schalteinrichtungen, die ein unbeabsichtigtes Einschalten elektrischer Betriebsmittel während der Wartung verhindern. Ein Anlageschalter muss abschliessbar sein, es sei denn, die Schalteinrichtung ist dauernd unter Kontrolle derjenigen Person, die die Wartung durchführt. Als geeignete Schaltstellen werden Sicherheitsschalter im Hauptstromkreis oder im Steuerstromkreis mit Meldeleuchte erwähnt. Diese Anforderung kann auch durch eine Steckvorrichtung mit max. 16 A im Hauptstromkreis erfüllt werden. Mit diesen Ausführungen ist der Einbau der Anlageschalter bei PV-Anlagen begründet.

Kontrollen und Sicherheitsnachweise

Im Weiteren sind die Installationsbewilligungen und die Kontrollen der Installationen in der Weisung beschrieben. Hier führt der Umstand, dass AC-gekoppelte Energiespeicher ausschliesslich von Trägern einer allgemeinen Installationsbewilligung installiert werden dürfen, immer wieder zu Diskussionen.

Bei EEA mit Verbindung zu einem Niederspannungsverteilnetz muss der Eigentümer innerhalb von zwei Monaten eine Abnahmekontrolle durch ein unabhängiges Kontrollorgan oder eine akkreditierte Inspektionsstelle veranlassen und innerhalb dieser Frist den Sicherheitsnachweis der Netzbetreiberin einreichen.

Bei EEA ohne Verbindung zum Niederspannungsverteilnetz muss der Eigentümer innerhalb von sechs Monaten eine Abnahmekontrolle veranlassen, sofern die Kontrollperiode der elektrischen Installationen weniger als 20 Jahre beträgt. Hier muss der Sicherheitsnachweis innerhalb dieser Frist beim ESTI eingereicht werden. Bei EEA ohne Verbindung zu einem Niederspannungsverteilnetz und 20-jahriger Kontrollperiode ist keine Abnahmekontrolle vorgeschrieben. In diesem Fall reicht der Eigentümer den Sicherheitsnachweis beim ESTI ein. Diese Vorschriften gelten auch für neu installierte AC- und DC-gekoppelte Energiespeicher.

Die Weisung enthalt weitere Anweisungen für Installateure mit eingeschränkten Installationsbewilligungen. Für neu erstellte EEA, die eine Wirkleistung ≥ 50 kW oder eine Scheinleistung von ≥ 55 kVA bei einem minimalen Leistungsfaktor von cos ≥ 0.9 haben und bei denen es technisch möglich ist, elektrische Energie ins Netz zurückzuspeisen, gilt eine Meldepflicht beim ESTI. Die Netzbetreiberinnen müssen die Installationen dem Inspektorat nach dessen Vorgaben innert 14 Tagen nach Eingang der Sicherheitsnachweise melden.

Dokumentation

Der Ersteller einer Energieerzeugungsanlage hat dem Eigentümer folgende Unterlagen in der Landessprache des Anlagestandortes zur Verfügung zu stellen:

  • Übersichtsschema der EEA mit den Nenndaten der Betriebsmittel
  • Konzept der Erdungsanlage und des Überspannungsschutzes
  • Beschreibung der eingebauten Schutzeinrichtungen
  • Bedienungsanleitung sowie Wartungs- und Instandhaltungsinstruktionen
  • Definition und Dokumentation des Vorgehens im Störungsfall
  • Sicherheitsnachweis (SiNa)
  • Mess- und Prüfprotokolle

In der Weisung «Anforderungen an Energieerzeugungsanlagen» sind viele Anforderungen klar definiert. Es lohnt sich, diese Weisungen des Eidgenössischen Starkstrominspektorates zu studieren, denn damit können viele alltägliche Fragen und Situationen geklärt werden. Zudem sind im Anhang sehr viele hilfreiche Schemas abgebildet.

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