Gefährliche alte Elektroinstallationen

Bedenklich Ein einziger Fehler setzt den Schutzleiter-Anschluss unter Spannung
Bedenklich: Ein einziger Fehler setzt den Schutzleiter-Anschluss unter Spannung.

Besonders in Wohnbauten begegnet man gelegentlich noch alten Elektroinstallationen ohne Schutzleiter. Für mehr Sicherheit ist der Ersatz dieser Anlagen unerlässlich.


Autoren: Beat Schenk, Peter Bryner


Bis ca. 1960 wurde in der Schweiz die sogenannte «Nullung Schema III» zum Schutz gegen den elektrischen Schlag verwendet. Dabei wird der Schutzkontakt von Steckdosen (z. B. Typ 13) mit dem geerdeten Neutralleiter verbunden. Die Gefahr von zu hohen Berührungsspannungen wird dadurch erheblich reduziert. Leitfähige Gehäuse von Verbrauchsmitteln werden über den Neutralleiter mit dem Erdpotential verbunden.

«Genullte» Steckdosen verfügen jedoch über keinen separaten Schutzleiter. Folglich ist die Verwendung von Fehlerstrom-Schutzschaltern (RCD) nicht möglich. Das besondere Gefahrenpotenzial von Installationen dieses Typs zeigt sich in der Unfallstatistik, denn tödliche Unfälle sind nicht ausgeschlossen. Seit 1974 ist die «Nullung Schema III» in Neuanlagen nicht mehr zulässig. Seit der Teilrevision der NIV von 2018 gilt für bestehende Anlagen eine verschärfte Kontrollperiode von maximal fünf Jahren.


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Gefahren der alten «Nullung Schema III»

In der Regel sind Elektroinstallationen so ausgeführt, dass eine gefährliche Situation erst beim Auftreten eines zweiten Fehlers entsteht. Bei Installationen nach «Nullung Schema III» genügt jedoch bereits ein einzelner Fehler der folgenden Art: ·

  • Der unterbrochene Neutralleiter setzt den Schutzleiter und damit die angeschlossenen Gehäuse der Betriebsmittel unter Spannung. ·
  • Beim Vertauschen des Aussenleiters mit dem Neutralleiter an Anschlusspunkten werden der Schutzleiter und damit die angeschlossenen Gehäuse der Betriebsmittel unter Spannung gesetzt. ·
  • Beim Fehlen der N-PE-Brücke gerät im Fehlerfall das Gehäuse des Betriebsmittels unter Spannung.

Lebensgefahrlich: Vertauschte Aussen- und Neutralleiter
Lebensgefahrlich: Vertauschte Aussen- und Neutralleiter setzen sogar bei offenem Schalter Gehäuse von Betriebsmitteln unter Spannung. Sowohl unterbrochene Neutralleiter als auch fehlende N-PE-Verbindungen sind lebensgefährlich.

Isolationsmessung nicht durchführbar

Die Isolationsmessung ist ein zuverlässiges Instrument, um sowohl den Zustand als auch die Sicherheit einer elektrischen Anlage zu bewerten. Dabei werden Isolationsdefekte und somit mögliche Zündquellen (Kriechstrecken) entdeckt, die zu gefährlichen Spannungsverschleppungen auf leitfähige Gebäudeteile führen können.

Die Isolationsmessung zwischen Aussenleiter und Neutralleiter ist in Installationen nach «Nullung Schema III» nur mit grossem Aufwand möglich, da hierfür sämtliche Verbraucher von der Installation getrennt werden müssen. Eine Messung der aktiven Leiter gegen Erde ist praktisch unmöglich, da in Installationen mit «genullten» Betriebsmitteln über viele Wege Verbindungen zwischen Neutralleiter und Erdpotential bestehen.

Die Isolationsfestigkeit einer Installation nach «Nullung Schema III» kann also kaum festgestellt werden. Dies ist ein beachtlicher Nachteil beim Nachweis der Sicherheit einer Anlage und Grund für die Verkürzung der Kontrollperiode auf maximal fünf Jahre gemäss Niederspannungs-Installationsverordnung (NIV).

Einsatz von Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen nicht möglich

Eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD), die eine permanente Isolationsüberwachung gewährleistet, schaltet bei einer Stromdifferenz zwischen Aussen- und Neutralleiter die Spannungsversorgung ab. Bei Installationen nach «Nullung Schema III» übernimmt der Neutralleiter die Aufgabe des Schutzleiters. Durch ihn fliesst bei einem Fehler in einem Betriebsmittel der Fehlerstrom zurück zur Quelle, weshalb der Fehlerstrom-Schutzschalter keinen Differenzstrom erkennt und somit auch nicht abschaltet.

Die im vorherigen Absatz erwähnten Verbindungen zwischen leitenden Gehäusen und Erdpotential führen beim Nachrüsten mit Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen ohne Auflösung der «Nullung Schema III» zu betriebsmässigen Ableitströmen gegen Erde und damit zu Fehlauslösungen des RCD, weshalb vorgeschaltete Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen in Installationen nach «Nullung Schema III» nicht zulässig sind.

«Installationen nach ‹Nullung Schema III› können schon beim ersten Fehler lebensgefährlich werden.»

Was tun?

Bei Anpassungen und Erweiterungen von alten Installationen nach «Nullung Schema III» bieten sich Steckdosen mit eingebautem Fehlerstrom-Schutzschaltern, sogenannte SIDOS-Steckdosen, als Möglichkeit an. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Gefahr durch einen Neutralleiter-Unterbruch auch bei einer SIDOS-Steckdose nicht gebannt ist. Ist der Neutralleiter in der Zuleitung zur SIDOS-Steckdose unterbrochen, stehen mit dem Schutzleiter verbundene Körper von Verbrauchsmitteln unter Spannung, ohne dass die SIDOS-Steckdose dies erkennt.

Es führt also kein Weg daran vorbei, alte Installationen nach «Nullung Schema III» zu sanieren. Damit wird nicht nur die Sicherheit einer Anlage wesentlich erhöht, sondern es wird auch den gestiegenen Anforderungen an Elektroinstallationen Rechnung getragen, beispielsweise indem gealterte Leiter (z. B. mit 1 mm²-Querschnitt) und Isolationsmaterialien (z. B. aus Baumwolle) aus dem Verkehr gezogen werden. Zu guter Letzt führt eine Sanierung von Anlagen nach «Nullung Schema III» zur Entfernung alter, oft noch asbesthaltiger Elektro- Tableaus.

Alles in allem resultiert ein relevanter Beitrag zum Gesundheitsschutz von Installateuren und Anlagebenutzern. Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnbauten können sich nach einer erfolgreichen Sanierung zudem über eine Verlängerung der Kontrollperiode für ihre Installation auf zwanzig Jahre freuen.


Kontinuierliche Entwicklung: Schutzsysteme im Laufe der Zeit: Seit 1974 wird der Schutzleiter separat geführt.
Kontinuierliche Entwicklung: Schutzsysteme im Laufe der Zeit: Seit 1974 wird der Schutzleiter separat geführt.

Fazit

Auch wenn seit bald 50 Jahren keine Installationen nach «Nullung Schema III» mehr installiert werden, begegnet man ihnen im Installations- und Kontrollalltag nach wie vor. Neben alterungsbedingten Gründen für die Erneuerung solcher Anlagen sind es vor allem Sicherheitsaspekte, die ihren Ersatz dringend empfehlenswert machen.

Aufgrund des Bestandesschutzes können Eigentümerinnen und Eigentümer nicht zur Erneuerung gezwungen werden. Allerdings stellen Veränderungen von Betriebs- und Umgebungsbedingungen, die sich auf die Sicherheit von Anlagen auswirken können, das Argument des Bestandesschutzes zunehmend in Frage.

Ein zuverlässiger Personen- und Sachschutz ist mit Installationen nach «Nullung Schema III» kaum möglich. Der Ersatz solcher Anlagen ist somit ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit in Wohnbauten und Betrieben.


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