Perspektiven der Gebäudeinformatik

«Gebäudeinformatik: Zukunftsperspektive für angehende Fachkräfte?» Unter diesem Motto trafen sich Mitte Mai Akteure aus der Elektrobranche zu einem Austausch.


Von René Senn (Text) und Michael Donadel (Bilder)


Werbung

Mitte Mai fand ein mit Spannung erwartetes Roundtable-Gespräch zur Grundbildung Gebäudeinformatiker:in EFZ statt, zu dem eTrends in Zusammenarbeit mit EIT.swiss verschiedenste Experten der Elektrobranche eingeladen hatte. Anwesend waren Laura Kopp, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit bei EIT.swiss, Maja Kostadinova und Martin Stalder, Verantwortliche für den Beruf Gebäudeinformatiker:in bei EIT.swiss, Manfred Ulmann, Präsident von EIT.bern, René Senn, Chefredaktor von eTrends sowie Fachleute aus der Industrie und Installateure bzw. Planer, die bereits Gebäudeinformatiker ausbilden und ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen einbrachten: Patrick Schmidle, Hager AG; Didier Perret, Bouygues E&S InTec Schweiz AG; Cello Duff, Feller AG / Schneider Electric Schweiz AG; Thomas Roth, Maneth Stiefel AG, und Felix von Rotz, Siemens Schweiz AG. Verhindert war leider der Vertreter von ICT-Berufsbildung Schweiz, dem Verband, mit dem EIT.swiss diese Grundbildung aufgebaut und organisiert hat. Seine Rolle nahm Christian Matter ein, der sowohl Vorstandsmitglied von EIT.swiss als auch von ICT-Berufsbildung Schweiz ist.

Die vielfältigen Sichtweisen ermöglichten es, ein umfassendes Bild zur Situation bei der neuen Grundbildung Gebäudeinformatiker:in EFZ zu zeichnen und gemeinsam nach zukunftsweisenden Ideen zu ihrer Förderung zu suchen. Insgesamt war das Feedback positiv, die Akteure sind sehr zufrieden mit der aktuellen Situation und gewillt, diese Grundbildung mit weiteren Ideen und zusätzlichen Kräften gemeinsam zu fördern. Fazit: Es läuft gut und besser, als in der Branche oft behauptet wird.

«Die ganze Branche braucht noch ein bisschen Mut, um die neue Ausbildung gut zu platzieren.»

Didier Perret

Bouygues E&S InTec Schweiz AG

Wichtiger Austausch zwischen allen Beteiligten

Besonders erfreulich war das offene und konstruktive Klima während des Roundtables. Die Teilnehmenden brachten ihre unterschiedlichen Perspektiven und Anliegen ein und führten lebhafte Diskussionen, um ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Stossrichtung für die Weiterentwicklung des Berufs Gebäudeinformatiker:in EFZ zu finden. Manfred Ulmann brachte es auf den Punkt: «Positiv ist für mich, dass wir dieses Berufsbild auch auf Ebene Grundbildung anbieten können. Die Fachrichtung Planung ist aufgrund des Projektablaufs sehr wichtig. Für mich ist es zentral, dass auch die namhaften Hersteller hinter dieser Ausbildung stehen. Ich habe mich deshalb über den Austausch mit ihnen heute sehr gefreut und bin mir sicher, dass sie der Branche helfen können, intelligente Gebäude bei unseren Kunden noch beliebter zu machen.» Didier Perret gab einen Einblick in seine Erfahrungen mit dem neuen Beruf: «Dort, wo wir gestartet sind, sind wir gut gestartet, und die Lernenden, die wir haben, sind happy mit der Grundbildung. Sie machen das sehr gut und sind auch sehr gut in unseren Projekten einsetzbar.»

Gebäudeautomation muss aktiv verkauft werden und bei den Endkunden bekannt(er) gemacht werden. Die Installateure brauchen dazu auch die Hilfe der Hersteller.

Manfred Ulmann

Präsident EIT.bern

Der Druck der Innovationsgeschwindigkeit

Ein Schwerpunkt der Diskussion lag auf den technologischen Entwicklungen und Innovationen in der Gebäudeinformatik. Es wurde deutlich, dass intelligente Gebäude nicht nur energieeffizienter und komfortabler werden, sondern auch eine grosse Bandbreite neuer Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Cello Duff sagte dazu: «Es ist sehr gut, dass es dieses neue Berufsbild gibt. Das Potenzial ist da, die Technologie ist da, sie steht bereit. Die Frage ist aber, ob sie auch eingesetzt wird. Aus meiner Sicht besteht in der Branche auch ein strukturelles Problem. Wir brauchen Leute, die diese neuen Lernenden ausbilden können. Viele Kleinbetriebe haben viel Arbeit. Wie sollen sie nebenbei noch neue Technologien einführen? Das ist nicht einfach. Es geht um komplexe Fragestellungen, und viele sehen die Notwendigkeit, die nötigen Strukturen und Rahmenbedingungen für neue Technologien in den Betrieben zu schaffen, aber es ist eine grosse Herausforderung.» Abschliessend meinte Cello Duff: «Es ist wichtig, dass wir mit der Technologie Schritt halten. Ich glaube, sie ist uns oft einen Schritt voraus.»

«Die Zukunft im Gebäude ist elektrisch, vernetzt und digital. Dazu braucht es gut ausgebildete Fachkräfte, welche die kommenden Herausforderungen anpacken können.»

Cello Duff

Feller AG / Schneider Electric Schweiz AG

Nachwuchs, aber wie viel?

Ein weiteres zentrales Thema des Gesprächs war der Fachkräftemangel in der Gebäudeinformatik. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu fördern, um den steigenden Anforderungen an die Digitalisierung der Gebäude gerecht zu werden. Dies fängt bei der Planung an und geht über die Realisierung und den Betrieb bis hin zum Unterhalt der smarten Gebäude der Zukunft. Es kam aber auch die kritische Frage auf, wie viel Arbeitspotenzial in der Branche überhaupt vorhanden ist oder vorhanden sein wird für die zukünftigen Fachleute. Didier Perret: «Es braucht wenige Spezialisten für viele Elektriker in einem Unternehmen. Es wäre schön, der Verband würde dieses Thema ergänzend anschauen.» Felix von Rotz relativierte diese Befürchtung: «Aus meiner Sicht kommt es auf die Art der Gebäude an und darauf, in welcher Ausprägung die Gebäudeinformatik umgesetzt wird. Zudem spielt es eine grosse Rolle, in welchen Projekten ein Unternehmen tätig ist. Wir von Siemens Schweiz werden, sobald die nötigen Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen sind, ebenfalls Gebäudeinformatiker:innen ausbilden.» Für Martin Stalder ist klar, dass es die neuen Fachleute braucht: «Wenn die Anforderungen an die Energieeffizienz unserer Gebäude steigen, was unter politischem Druck auch geschieht, brauchen wir die Fachleute, die in Gebäuden ein Energiemanagement einrichten können. Traditionellen Elektroinstallateur:innen fehlt dafür das Know-how.» So sieht es aus Patrick Schmidle von Hager: «Wenn wir schauen, wie sich die Welt gerade elektrifiziert mit Elektromobilität, Solaranlagen und Energiespeichern, wird klar, dass solche Projekte auch Vernetzungswissen von unserer Branche erfordern. Demzufolge steigt auch der Bedarf an Fachleuten mit diesen Kenntnissen.»

«Das neue Berufsbild trifft den Puls der Zeit und unterstützt die Zusammenführung der Gewerke.»

Felix von Rotz

Siemens Schweiz AG

Ist die Elektrobranche die richtige?

Diskussionsstoff ergab an diesem Morgen auch die Positionierung der neuen Grundbildung. «Wir sind in der Elektrobranche, wollen wir uns nicht einfach anders darstellen, als wir wirklich sind?», fragte Patrick Schmidle bewusst provokativ in die Runde. Christian Matter antwortete: «Die Gebäudeinformatik ist endlich einmal ein Beruf, bei der Elektriker mit einer besseren Wertschöpfung in einen neuen Markt eintreten könnten. Installateure können andere Arbeiten anbieten als bisher in ihrem angestammten Elektriker-Arbeitsumfeld. Der Entscheid, ob sie solche Dienstleistungen anbieten wollen oder nicht, liegt ganz klar bei jedem einzelnen und nicht beim Verband.»

Die Runde war sich einig: Die Positionierung der Grundbildung birgt noch Potenzial. «Heute ist sie in der Kommunikation sehr ähnlich oder gleichgestellt mit jener zum/zur Elektroinstallateur:in EFZ. Dies ist aus meiner Sicht nicht optimal», meinte Patrick Schmidle. Cello Duff ergänzte: «Wir müssten uns anschauen, ob wir bei der Positionierung etwas ändern können. Ohne die Elektriker schlecht zu machen, wohlgemerkt! Gebäudeinformatiker:innen sind vom Typ her andere Jugendliche mit einer sehr guten Grundausbildung.» Didier Perret hat dasselbe beobachtet: «Die neuen Lernenden entscheiden sich zwischen zwei Branchen und nicht zwischen zwei Berufen. Sie finden eigentlich Informatiker cool, aber nur am PC zu sitzen, ist ihnen vielleicht zu langweilig. Und bei der Gebäudeinformatik gehört eben mehr dazu. Ohne dieses Angebot bekommen wir diese jungen Talente nicht in unsere Branche», meinte er. Laura Kopp nahm diesen Ball an und ergänzte: «Mit eChance.ch haben wir extra eine separate Plattform geschaffen, damit der Beruf Gebäudeinformatiker:in nicht auf elektriker.ch vorgestellt werden muss. Wir haben schon sehr viel für diesen neuen Beruf gemacht. Die Kernthemen aus diesem Roundtable wie Potenzial, Umdenken und Mut nehmen wir aber gerne mit in unsere weiteren Überlegungen.» Auch für Didier Perret ist der Beruf genau am richtigen Ort angesiedelt. Er sieht zudem die Kooperation mit ICT Berufsbildung Schweiz und EIT.swiss als sehr positiv. Das Projekt für den neuen Beruf sei ein guter Entscheid und eine gute Arbeit gewesen von jenen, die es angestossen haben. «Ich finde die Nähe zur Informatiklehre kein Problem, sondern wichtig.»

«Die Branche muss näher zusammenrücken und vorwärts gehen. Die Zukunft ist elektrisch.»

Patrick Schmidle

Hager AG

Der Austausch macht Lust auf mehr

«Ausbildung ist People-Business, und zudem braucht es Zeit und Geduld, bis etwas Neues wachsen kann. Ich fand den Austausch mit den unterschiedlichen Partnern sehr wertvoll.» So eröffnete Thomas Roth die Abschlussrunde. Auch Maja Kostadinova zeigte sich sehr positiv: «Für mich war das Treffen sehr wertvoll. Vor allem sind die unterschiedlichen Perspektiven interessant. Alle verfolgen das gleiche Ziel, für uns ist es deshalb wichtig, dass wir mit allen Akteuren einen regen Austausch pflegen.» Wir von eTrends bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmenden für ihre sehr wertvollen Beiträge und ihr grosses Engagement während des Roundtable-Gesprächs. Durch die sehr aktive Beteiligung haben alle Teilnehmenden eine breite Perspektive auf die Zukunft der Gebäudeinformatik erhalten und für sich wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Sie sind überzeugt, dass die Diskussionen und Ergebnisse des Gesprächs als Grundlage für zukünftige Initiativen und Projekte dienen, um die Gebäudeinformatik weiter voranzubringen und die Elektrobranche auf ihrem Weg in die digitale Transformation zu unterstützen. Laura Kopp regte abschliessend an: «Warum nicht eine Roadmap für die neue Grundbildung lancieren? So könnte die Wirtschaft zusammen mit den Verbänden und Ausbildungspartnern wichtige Projekte dafür vorantreiben. Eine Plattform und ein konstruktiver Austausch wie an diesem Roundtable finde ich sehr geeignet, um das Berufsbild in den nächsten Jahren kontinuierlich weiterzuentwickeln.» Die Anwesenden wären dazu bereit! Wir freuen uns auf die weitere produktive Zusammenarbeit und darauf, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Nur gemeinsam können wir die Zukunft der Gebäudeinformatik gestalten und die Elektrobranche auf den Weg zu intelligenten und nachhaltigen Gebäuden führen!

Veröffentlicht am: