Internet der Dinge und Gebäudetechnik

Internet der Dinge und Gebäudetechnik

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Auch in der konservativen Gebäudebranche hat das Zeitalter des Internet der Dinge und der künstlichen Intelligenz bereits begonnen, ohne dass wir dies richtig mitbekommen haben. Die Gebäudeautomation muss deshalb neu strukturiert werden.

Wer ein Ferienhaus besitzt, kennt die Sorgen: Funktioniert die Heizung noch oder ist die Temperatur unter die Frostschutzgrenze gesunken und droht ein Schaden durch geborstene Wasserleitungen? Früher wurde das Problem über die analoge Telefonleitung mit einer Fernüberwachung und Steuerung mit kleinem Funktionsumfang gelöst. Die Kosten dafür betrugen oft einen Viertel der Anlagenkosten. Kommunikation, Hard- und Software wurden als lukratives Geschäft verkauft. Heute sieht es ganz anders aus: Der Heizungsmonteur fragt, wo der Ethernet-Anschluss ist, alles andere ist im Gerät integriert, die Daten können über die Cloud abgerufen werden, und zusätzlich wird noch ein Störmeldeservice angeboten.

Die Herausforderungen am Gebäude

Spezialisierung
Die Bauindustrie ist heute extrem fachspezifisch segmentiert; dadurch können sicherlich Spitzenleistungen in Teilbereichen bezüglich Terminen oder Qualität erzielt werden, der Fokus auf den Bau als Gesamtes geht aber verloren. Dies zeigt sich auch in der kommunikativen Gebäudetechnik. Das Licht weiss nichts von der Verschattungsregelung, und die Kühlung und Heizung wissen nichts über die Belegung des Gebäudes. Anders ausgedrückt schlummert hier ein grosses Verbesserungspotenzial. Die partikulären Lösungen werden aber auch nicht besser, wenn wir alles in die Cloud auslagern.

Vertraulichkeit, Datenintegrität und Verfügbarkeit
Häufig wird argumentiert, dass es den Grundsätzen der Vertraulichkeit widerspreche, wenn Daten von Sensoren für andere Gewerke einsehbar sind. Dies ist insofern richtig, als persönliche Daten nicht einfach öffentlich zugänglich sein dürfen. Wird aber mit anonymisierten Daten ein Mehrwert geschaffen (z. B. wenn die Kühlung weiss, dass der Raum belegt ist und sie prädiktiv Kühlleistung zur Verfügung stellen kann), steigt die Bereitschaft enorm, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Neben diesem rechtlichen Aspekt interessiert auch, ob die Daten korrekt (Integrität) und zuverlässig verfügbar sind. Also: Entsteht für den Kunden ein Mehrwert, werden die Daten auch zur Verfügung gestellt.

Traditionelle Strukturierung der Gebäudeautomation
Die EN 16484 beschreibt die traditionellen Gebäudeautomationssysteme (Abb. 1). Sie sind hierarchisch in die Ebenen Feld, Automation und Management gegliedert, und die «Intelligenz» nimmt von unten nach oben zu. Traditionell gilt dies jeweils separat für jedes Gewerk wie Heizung, Kühlung, Beleuchtung und Verschattung. Dieser Aufbau ist mit Blick auf die historische Entwicklung der Computertechnik verständlich, weil grosse Rechenleistung teuer, energieintensiv und schwer war.

Abbildung 1: Traditionelle Strukturierung der Gebäudeautomation nach EN16484 mit der Ergänzung eines Gewerks mit «siloartigen» Cloudlösungen. Quelle: D. Kunz, FHNW

Zukünftige Strukturierung der Gebäudeautomation

Der Kunde erwartet heute, dass seine Daten, Betriebszustände der Anlagen und Eingriffsmöglichkeiten weltweit und jederzeit verfügbar sind. Diese Forderung favorisiert Internet-basierte Technologien mit Anschluss der Datenbanken. Zusätzlich sind die Hard- und Softwarekosten extrem stark gesunken, und grosse Rechenleistung kann auf kleinstem Raum direkt in Sensoren verbaut werden. Diese technische Entwicklung ermöglicht Konzepte, die früher undenkbar waren und die den Gesamtnutzen des Systems stark steigern. In der Praxis haben sich einige Begriffe etabliert, welche die technischen Ausprägungen der Lösungen beschreiben (Abb. 2):

  • Cloud-Computing: Die Intelligenz wird in ein «Rechenzentrum» ausgelagert; jeder kommuniziert über das Internet mit der Cloud.
  • EDGE-Computing: Die lokale Intelligenz wird gestärkt, es gibt idealerweise genau einen Eintrittspunkt für das Internet mit der Cloud-Anbindung; der Firewall-Schutz des Internets wird zentralisiert und professionalisiert und kann von einer Stelle aus gewartet werden.
  • FOG-Computing: Die lokale Intelligenz wird nochmals gestärkt; alles, was lokal entschieden werden kann, bleibt lokal und macht keinen Umweg über das Internet; die Automationshierarchie wird wie bei der traditionellen Gebäudeautomation lokal erstellt, das System wird schneller, zuverlässiger und stabiler; über den FOG-Servern folgt typischerweise ein EDGE-Router.

FOG-Computing löst die heutigen Problemstellungen am besten. Es ermöglicht:

  • lokal verteilte künstliche Intelligenz, die sowohl vernetzt als auch autark eigene Entscheide fällen kann,
  • Kommunikation unter intelligenten Geräten ohne Aufforderung seitens einer zentralen Stelle,
  • Lernen aus der Vergangenheit für die Zukunft ohne Zutun des Menschen,
  • Erkennen neuer Geräte und Funktionalitäten ohne Zutun des Menschen.

Das zentrale Hirn (Managementebene) wird in der neuen Strukturierung nicht mehr benötigt, weil lokale künstliche Intelligenz diese Rolle übernimmt. Hiermit steigt die Zuverlässigkeit der Anlage, und Gewerke können ihre Daten direkt austauschen. Auch der Unterbruch einer Kommunikationsleitung führt nicht mehr zum Stillstand des Systems.

Abbildung 2: Entwicklung in der Gebäudeautomation von Cloud- zu EDGE- und FOG-Computing; Publisher (= Datenquelle), Subscriber (= Datenabonnent), Router (= Datenweiter­leitung); Server (Datenzwischenspeicher, Verdichtung der Daten), Broker (= Datenverteiler); die L

Einsatz der richtigen Technologie

Es ist bereits heute ratsam, auf Technologien zu setzen, die etablierte Standards aus der Kommunikations- und Computertechnik nutzen, um an der enormen Entwicklungsgeschwindigkeit und den neuen Eigenschaften und Sicherheitsupdates teilhaben zu können.

Die kommenden Herausforderungen

In einem Punkt muss sich die Baubranche noch einigen: Wie sehen die zukünftigen Kommunikationsstandards aus, die nicht nur einen Austausch von Informationen unter den Gewerken, sondern auch die Optimierung von Geld-, Material- und Energieflüssen ermöglichen? Um dies zu klären, wurde am 29. März 2019 in Bern der Verein Smart Grid Ready gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hat, nicht nur Informationen auszutauschen, sondern auch die energetische Optimierung unserer vernetzten Welt voranzutreiben. Heute sind wir erst bei Version 1.0 angelangt, der Weg zur Version 6.0 ist noch lang (Abb. 3) und mit vielen Hürden gepflastert, die jedoch mit vorhandenen Technologien bewältigt werden können.

Abbildung 3: Smart Grid Ready und die einzelnen Entwicklungs­stufen (Quelle: Smart Grid Ready).

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