Verbände arbeiten zusammen für neue Grundbildung
Interview mit Serge Frech, Geschäftsführer ICT Berufsbildung Schweiz
Verbände arbeiten zusammen für neue Grundbildung
Interview mit Serge Frech, Geschäftsführer ICT Berufsbildung Schweiz
EIT.swiss spannt bei der neuen Grundbildung Gebäudeinformatikerinnen und -informatiker EFZ mit ICT-Berufsbildung Schweiz zusammen. Wer ist dieser Verband?
Autor: René Senn
In der Ausgabe 03/2020 von eTrends haben wir bereits über die neue Grundbildung Gebäudeinformatikerinnen und -informatiker EFZ berichtet und den neuen Beruf mit seinen drei Fachrichtungen Planung, Gebäudeautomation sowie Kommunikation und Multimedia vorgestellt. Nun wollen wir noch etwas genauer hinter die Kulissen schauen. Dabei sehen wir, dass zwei Trägerverbände das Projekt gemeinsam angegangen sind, neben dem in unserer Branche bestens bekannten EIT.swiss auch der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz, der noch relativ unbekannt sein dürfte. Mit diesem Interview möchten wir das gerne ändern und zeigen, wer und welche Ideen hinter dieser Organisation stecken. Wir haben uns dazu mit dem Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz, Serge Frech, ausgetauscht und ihn gefragt, woher der Verband kommt, was seine Ziele sind und welches der gemeinsame Nenner bei der neuen Grundbildung zum Gebäudeinformatiker ist.
Der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz
Herr Frech, was kann sich die Elektrobranche unter dem Verband ICT-Berufsbildung Schweiz vorstellen?
ICT-Berufsbildung Schweiz ist wie EIT.swiss eine Organisation der Arbeitswelt (OdA). Wir sehen uns als branchenübergreifender, impulsgebender und führender Verband für die Kompetenzen im Berufsfeld Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT). In der Schweiz bestehen derzeit knapp 10 000 ICT-Grundausbildungsverhältnisse (Anmerkung der Redaktion: Bei EIT.swiss sind es aktuell etwas mehr als 10 000 Lehrverhältnisse*), und rund 300 Personen absolvieren jährlich die vom Verband durchgeführten eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen. Dies, um Ihnen eine Grössenordnung zu geben.
Worin besteht Ihre Arbeit konkret?
Wir vertreten die in der Schweiz tätigen Unternehmen und Verwaltungen, schaffen gemeinsam mit ihnen die Voraussetzungen für genügend ICT-Berufsnachwuchs und unterstützen dessen fachliche Weiterentwicklung. Der Verband ist zuständig für sämtliche eidgenössischen Berufsabschlüsse in der Informatik und Mediamatik und ist Prüfungsinstanz für die eidgenössischen Fachausweise und Diplome der ICT. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Bund, den Kantonen und weiteren wichtigen Partnern wie in diesem Fall EIT.swiss.
Zusammenarbeit ICT-Berufsbildung Schweiz und EIT.swiss
Wo liegt Ihr Interesse an der Zusammenarbeit mit EIT.swiss?
Dem Ganzen liegt eigentlich die Digitalisierung zugrunde. Diese macht bekanntlich auch vor der Gebäudetechnik, und wie ihr so schön sagt, den Gewerken, nicht Halt. Und so entsteht innerhalb des Gebäudes, dem Umfeld der Gebäudetechnik, zunehmender Bedarf an ICT-Wissen, sei es bezüglich Cloud-Applikationen, dem Transport von Daten, der Einbindung der Gebäudetechnik in das Informatikumfeld, der Applikationsentwicklung oder der Datenauswertung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Ohne Strom geht heute nichts mehr, sagt ihr, und ohne Informatik eben auch nicht, wäre dann unsere Ergänzung.
Ein klassischer Informatiker wird aber kaum einen Job in der Gebäudeautomation suchen?
Dies würde ich jetzt nicht ganz so pauschal ausschliessen. Fakt ist, dass wir uns bei der ICT-Berufsbildung im Bereich der Grundbildung immer mehr vom «Generalisten» verabschieden und eher hin zur Spezialisierung gehen, nicht zuletzt, weil sich das ICT-Umfeld rasend schnell entwickelt. So sind wir laufend gefordert, die Ausbildungsinhalte und auch die üK-Infrastrukturen aktuell zu halten. Gebäudeinformatiker und Gebäudeinformatikerinnen sind aus unserer Sicht eher Generalisten, sie brauchen ein breites Grundwissen, wozu eben auch «Skills» aus dem Bereich der Informatik gehören. Und so macht es Sinn, dass wir uns in dieser neuen Ausbildung einbringen können.
Herausforderung einer verbandsübergreifenden Zusammenarbeit
Ist eine solche verbandsübergreifende Zusammenarbeit einfach?
Ja und nein (lacht). Natürlich haben beide Verbände eine unterschiedliche Herkunft und in der Breite ganz unterschiedliche Themen zu behandeln. Die Ziele, die wir mit dieser neuen Grundbildung gemeinsam verfolgen, sind spannend und gehen eben uns beide etwas an. Deshalb macht es Sinn, dass nicht beide Verbände im Alleingang unterwegs sind. Zudem können wir aus dieser Zusammenarbeit lernen und davon profitieren. Ein Beispiel dafür ist der ICT-Modulbaukasten aus der Grundbildung. Er stellt das Kerninstrument der ICT-Kompetenzbildung dar und wird nun auch in der Ausbildung Gebäudeinformatikerinnen und -informatiker EFZ zum Einsatz kommen. Das ist für EIT.swiss ein Novum und für uns eine Möglichkeit zu evaluieren, wie der Baukasten auch in anderen Berufen eingesetzt werden kann. Was bis jetzt sehr gut aussieht.
Was gibt es noch zu tun bis zum Ausbildungsstart 2021?
Da gibt es noch einige Aufgaben zu lösen, an allen Fronten. Da ist zum einen die Koordination und die Vorgehensweise der üK-Zentren, zum anderen ist noch viel Arbeit zu tun, damit Unternehmen Lehrstellen schaffen, um Nachwuchs in diesen drei neuen Fachrichtungen auszubilden. Wenn das klappt, können wir 2021 starten und vielen jungen Berufsleuten eine attraktive neue Grundbildung im Bereich der Gebäudeinformatik anbieten. Und ich bin mir sicher, dass es klappt!
«Bis 2028 werden insgesamt 117900 zusätzliche ICT-Fachkräfte benötigt»
Noch zwei Fragen zur ICT-Branche: Wo drückt dort der Schuh aktuell am meisten?
Der Bedarf an ICT-Fachkräften nimmt noch stärker zu, als bisher erwartet. Unsere neueste Studie prognostiziert, dass bis 2028 branchenübergreifend insgesamt 117 900 zusätzliche ICT-Fachkräfte benötigt werden. Ein Mangel an ICT-Fachkräften wirkt sich also nicht nur in der ICT-Dienstleistungsbranche aus, sondern ist in allen Branchen spürbar.
Bildungspolitischen Massnahmen im Bereich ICT
Und welche bildungspolitischen Massnahmen ergeben sich daraus?
Will man diesen zusätzlichen Bedarf decken, müssten 35 800 Personen mehr ausgebildet werden als heute. Dies ist eine enorme bildungspolitische und gesamtwirtschaftliche Herausforderung, die nach ausserordentlichen Massnahmen verlangt. Unternehmen aller Branchen und die öffentliche Verwaltung sind gefordert, neue Lehrstellen in der Informatik und Mediamatik zu schaffen. Zudem gilt es, die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung von ICT-Fachkräften zu verbessern.
Und das bedeutet konkret?
Es ist unsere Aufgabe, neue und zusätzliche Lehrstellen zu schaffen und das Berufsbild für Schulabgänger innen und -abgänger attraktiv zu gestalten. Dazu gehört auch die Promotion der Höheren Berufsbildung, damit wir den jungen Leuten eine Perspektive aufzeigen können. Zusätzlich sind wir daran, neue Berufe und eidgenössische Abschlüsse zu entwickeln. Ein weiteres grosses, noch unausgeschöpftes Potenzial sehen wir in der Erhöhung der Diversität im ICT-Berufsfeld. Weitere Punkte sind der Ausbau der Qualitätssicherung in Grund- und Weiterbildung sowie der Ausbau der Partnerschaften mit Branchenverbänden, womit sich der Kreis zur EIT.swiss wieder schliesst. Die langjährige Partnerschaft mit EIT.swiss und das freundschaftliche Verhältnis trägt nun wie beabsichtigt in der Praxis Früchte. Darauf freue ich mich und bedanke mich für die tolle Zusammenarbeit!
Herzlichen Dank für das Interview, Herr Frech!
* Diese Zahl war in der gedruckten Version aufgrund eines Missverständnisses falsch angegeben worden.
Impressum
Textquelle: ICT-Berufsbildung Schweiz
Bildquelle: ICT-Berufsbildung Schweiz
Informationen
ICT-Berufsbildung Schweiz
ict-berufsbildung.ch
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