Windkraft versus Kernenergie


Autor: Hans R. Ris


Es ist abzusehen, dass die Energiestrategie 2050 nach dem Motto «Alles mit Strom» nicht so einfach zu realisieren ist. Denn mit der Elektrifizierung der Mobilität und dem Ersatz der CO2-haltigen Brennstoffe der Gebäudeheizungen wird der Stromverbrauch gegenüber heute massiv ansteigen. Zusätzlich sollen auch die bestehenden Kernkraftwerke stillgelegt werden. Auch wenn deren Betriebszeit von 50 auf 60 Jahre verlängert wird, kommt der Zeitpunkt, an dem die so wegfallende Energie anderweitig produziert werden muss. Neben der Fotovoltaik und dem Ausbau der Wasserkraft soll die Windenergie das Fehlende decken. Gemäss dem Bund soll sie dannzumal 4000 MWh (fluktuierend) pro Jahr beisteuern, etwa 7 Prozent des gegenwärtigen Gesamtstromkonsums. Dies entspricht rund der halben Produktionsenergie des 1000-MW-Kernkraftwerks Gösgen. Im Gegensatz zu den Windkraftanlagen, deren stark schwankender Nutzungsgrad im Mittel etwa 20 Prozent beträgt, liegt dieser in Gösgen bei praktisch konstanten 80 Prozent.

Um die geforderten 4000 MWh Windenergie zu produzieren, ist in der Schweiz insgesamt eine Turbinenleistung von 2280 MW zu installieren – mehr als doppelt so viel für die halbe Energie, verglichen mit dem KKW Gösgen. Gemäss den Vorstellungen der Windenergiefachleute soll dies mit etwa 1000 grossen Windrädern realisiert werden. Übrigens: Gegenwärtig sind in der Schweiz 42 Grossanlagen mit einer Gesamtleistung von 87 MW und einer Produktion 146 MWh installiert.

Nun zu den Kosten der Windenergieanlagen: Basierend auf den Eckwerten des neuesten Windparks auf dem Gotthard, wo sich fünf Turbinen mit einer Totalleistung von 11,75 MW mit Investitionskosten von 32 Mio. Franken erheben, ergeben sich spezifische Werte von 2,7 Mio. Franken pro Megawatt. Überträgt man dies auf das gewünschte zukünftige schweizerische Windenergie-Szenario von 2280 MW, müsste man über 6 Mia. Franken investieren. Ist das viel?

Ja – das ist (zu) viel – vor allem, wenn man diese Investition mit dem Neubau eines Kernkraftwerks vergleicht. 2008 plante die damalige ATEL in Gösgen direkt neben dem bestehenden Kernkraftwerk eine neue Anlage mit einer elektrischen Leistung zwischen 1000 und 1600 MW. Die Baukosten wurden damals mit 7 Mia. Franken beziffert, heute müsste man wohl mit dem doppelten Betrag rechnen. Dies ist zwar etwa das Zweifache der Investitionskosten der zukünftigen Windenergie-Anlagen. Aber die jährliche Energieproduktion dieses neuen KKW wäre etwa dreimal so hoch. Ökonomisch – zwar etwas verkürzt betrachtet – kann man behaupten, dass die Investitionskosten der fluktuierenden Windenergie 1,5-mal höher sind als bei einem neuen Kernkraftwerk.

Mit der Energiestrategie 2050 haben wir Stimmbürger zwar demokratisch beschlossen, die bestehenden AKWs am Ende der Laufzeit nicht zu ersetzen und keine neuen zu bauen – aber dafür auf Wasserkraft, Fotovoltaik und auch Windenergie zu setzen. Nicht nur aus ökonomischer Hinsicht ist es notwendig, die Energiediskussion zu versachlichen und die verschiedenen Möglichkeiten neutral und ohne ideologische Scheuklappen zu diskutieren. Denn nur so bekommen wir eine mögliche Stromversorgungs-Unsicherheit in den Griff.


Hans R. Ris ist Publizist und Autor aktueller Fachbücher in den Fachgebieten Energie- und Lichttechnik.  

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