Automatische Abschaltung der Stromversorgung

Ob mit Prüfgerät, Taschenrechner oder Berechnungsprogramm: Die Prüfung der automatischen Abschaltung ist Teil jeder Kontrolle, sowohl der Erstprüfung als auch der periodischen Kontrolle.


Text: Beat Schenk, Foto: Electrosuisse


Basis-, Fehler- und Zusatzschutz schützen vor elektrischem Schlag. Die automatische Abschaltung der Stromversorgung begrenzt die Zeit des gefährlichen Zustandes, während der ein leitender, berührbarer Körper eine zu hohe Berührungsspannung annehmen kann. Beim Fehlerschutz wird der fehlerhafte Stromkreis mit Hilfe einer Schutzeinrichtung vom Netz getrennt, bevor eine Gefahr für Personen besteht. Die Grundlage für die maximale Abschaltzeit ist eine Eigenschaft des menschlichen Körpers: Im ruhenden Zustand dauert eine halbe Herzperiode ca. eine halbe Sekunde. Daraus folgt, dass die Normen bis 230 V gegen Erde eine maximale Abschaltzeit von 0,4 s zulassen.

Damit die automatische Abschaltung im Fehlerfall innerhalb der geforderten Zeit funktioniert, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  • Berührbare, elektrisch leitfähige Teile der Betriebsmittel müssen mit dem Schutzleiter verbunden sein. ·
  • Damit die Überstrom-Schutzeinrichtung schnell genug anspricht, muss der Kurzschlussstrom im betroffenen Stromkreis gross genug sein.

Der Kurzschlussstrom hängt im Wesentlichen von der Leistung des Netztransformators und der Leitungslänge ab. Aber auch die Übergangswiderstände zum Erdreich und nicht zuletzt die Widerstände an der Fehlerstelle spielen eine Rolle. Bei der Betrachtung der gesamten Fehlerschleife lässt sich feststellen, aus welchen Teilwiderständen sich der Widerstand im Fehlerfall zusammensetzt.

Bei der Prüfung der automatischen Abschaltung im Fehlerfall wird festgestellt, ob der Kurzschlussstrom an jedem Punkt der Installation gross genug ist, um die vorgeschaltete Überstrom-Schutzeinrichtung innerhalb der geforderten Zeit zum Auslösen zu bringen. Üblicherweise befindet sich der ungünstigste Punkt am Ende der Leitung, wo die Fehlerschleife die grösste Impedanz aufweist. Die Impedanz der Fehlerschleife ermittelt man entweder mit Hilfe eines Installationstesters oder durch Berechnung. Daraus ergibt sich der Kurzschlussstrom, der wiederum mit der Auslösekennlinie des Überstromunterbrechers verglichen wird, um eine Auslösung innert 0,4 bzw. 5 s zu erreichen.

Mit einem Installationstester wird nicht direkt der Kurzschlussstrom, sondern die Schleifenimpedanz gemessen, wobei die Schleife mit einem Widerstand kurzzeitig belastet wird, was einen bekannten Messstrom IP zur Folge hat. Die dabei auftretende Spannungsabsenkung ∆U wird gemessen und daraus die Schleifenimpedanz ZS errechnet.

ZS = ∆U/ IP

Um Messfehler infolge von Spannungsschwankungen zu minimieren, arbeiten moderne Installationstester mit Netzspannung. Sie verfügen über eine Konstantstromregelung und kompensieren Änderungen des Prüfwiderstands durch Erwärmung.

Eine Messung der Fehlerschleifenimpedanz am Ende der Leitung ist nicht in jedem Fall möglich, beispielsweise bei schlechter Zugänglichkeit der Anschlussklemmen.

Gemäss NIN 6.1.3.6.1 lässt sich die automatische Abschaltung auch mit Hilfe einer Berechnung der Fehlerschleifenimpedanz überprüfen: «Anstelle der Messung der Fehlerschleifenimpedanz ist die Prüfung der elektrischen Durchgängigkeit der Schutzleiter ausreichend, wenn die Berechnung der Fehlerschleifenimpedanz oder des Leiterwiderstands der Schutzleiter verfügbar ist und wenn in der Anlage die Länge und der Querschnitt der Schutzleiter geprüft werden können.»

Konkret: Man kann anstelle einer Messung auch eine Beurteilung aufgrund von Besichtigung und Berechnung vornehmen. Hierzu werden folgende Informationen benötigt:

  • Durchgängigkeit des Schutzleiters · Berechnung der Fehlerschleifenimpedanz oder des Leiterwiderstands ·
  • Länge und Querschnitt des Schutzleiters

Vereinfacht gesagt: Man misst die Durchgängigkeit des Schutzleiters und beurteilt die automatische Abschaltung anhand der Leitungslänge und des Querschnitts der Leitung, des Kurzschlussstroms in der SGK und der Auslösekennlinie der betreffenden Überstrom-Schutzeinrichtung.

Die Durchgängigkeit des Schutzleiters lässt sich einfach mit einem Schutzleiterprüfgerät oder einem Installationstester ermitteln. Richtig kalibriert erhalten wir hierbei auch einen Wert für den Leiterwiderstand. Der Leitungsquerschnitt lässt sich in der Schaltgerätekombination feststellen, ebenso der Kurzschlussstrom am Anfang der betreffenden Leitung. Die Leitungslänge ist etwas schwieriger zu ermitteln. In einem EFH oder einer Wohnung kann sie aber durchaus nachvollzogen und nachgemessen werden. Um einen ungefähren Anhaltspunkt zu erhalten, kann der Leiterwiderstand von Aussen- und Schutzleiter mit Hilfe des spezifischen Widerstands und des Querschnitts berechnet werden:

(R = ρ ⋅ 2 ⋅ l / A)

Alternativ lässt sich der Widerstand auch aus der 100-m-Tabelle ablesen und gegebenenfalls umrechnen:

Die Schleifenimpedanz an der Überstrom-Schutzeinrichtung in der SGK lässt sich mit einem Installationstester ermitteln. Addieren wir den errechneten Leiterwiderstand von der Überstrom-Schutzeinrichtung bis zum Ende der Leitung hinzu, erhalten wir die Impedanz der gesamten Schleife. Die Netzspannung U geteilt durch die Schleifenimpedanz ZS ergibt folglich den Kurzschlussstrom IK am Ende der Leitung (IK = U / ZS).

Es empfiehlt sich, für die Berechnung ein Berechnungsprogramm zu Hilfe zu nehmen. Gerade bei komplexeren Anlagen oder in Anlagen mit kleinen Kurzschlussströmen ist ein professionelles Tool wie z. B. die Anlageplanung von Electrosuisse notwendig.

Die Überprüfung der Durchgängigkeit des Schutzleiters ist unerlässlich. Ist sie in Ordnung und führt der errechnete Kurzschlussstrom zu einer rechtzeitigen Auslösung der vorgeschalteten Überstrom-Schutzeinrichtung, ist die automatische Abschaltung im Fehlerfall erfüllt. Die minimalen Kurzschlussströme lassen sich aus den Auslösekennlinien der Über - strom-Schutzeinrichtungen ablesen. Zusammengefasst findet man sie auch im Handbuch «Messen gemäss NIN 2020». Für Endstromkreise gilt eine maximale Abschaltzeit von 0,4 Sekunden. Bei Verteilstromkreisen, Endstromkreisen >32 A ohne Steckdosen und Endstromkreisen >63 A mit Steckdosen sind es maximal 5 Sekunden.

Die Messung der Schleifenimpedanz bringt gewisse Ungenauigkeiten mit sich. Um diesen Umstand bei der Bewertung zu berücksichtigen, wird der erforderliche Kurzschlussstrom durch den Faktor 0,66 dividiert. Für einen Endstromkreis mit einem LS C 13 A heisst das:

13 A ×10 :0,66 = 197 A

Auch bei der Berechnung muss der Wert korrigiert werden: Im Kurzschlussfall erwärmen sich die Leiter, was wiederum einen Anstieg des Leiterwiderstands und einen Spannungsfall zur Folge hat. Deshalb korrigiert man bei Berechnungen den Strom mit dem Faktor 0,75. Für einen Endstromkreis mit LS C 13 A heisst das:

13 A ×10 :0,75 = 173 A

In beiden Fällen wird der gemessene bzw. der errechnete Wert mit dem korrigierten, erforderlichen Kurzschlussstrom verglichen. Ist der gemessene bzw. errechnete Wert grösser als der erforderliche und ist die Durchgängigkeit des Schutzleiters erfüllt, gilt die Prüfung der automatischen Abschaltung als bestanden.

Wir können feststellen, dass sowohl das Messen als auch die Berechnung, sofern richtig angewendet, für die Überprüfung der automatischen Abschaltung im Fehlerfall geeignet sind. Je nach Anlage wählt man die eine oder die andere Methode. Wichtig ist, dass aus dem Mess- und Prüfprotokoll klar ersichtlich ist, welche Prüfungen mit welchen Methoden durchgeführt wurden.

Fehlerschleife

Die Fehlerschleifenimpedanz soll an der ungünstigsten Stelle gemessen werden. Dies ist in der Regel die von der Speisung am weitesten entfernte Stelle.

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