Windenergieanlagen anders gedacht: Ein Schweizer Unternehmen installiert in Deutschland gerade die erste Pilotanlage einer grossen vertikalen Windturbine, um in naher Zukunft eine sichere und zuverlässige Versorgung mit sauberer Energie zu gewährleisten.


Ein Beitrag von eTrends
Autor: René Senn

Patrick Richter muss ein Faible für Windmühlen besitzen. Seit sein Schwiegervater für die Enkel ein vertikales Spiel-Windrädchen gebaut hat, ist Richters Ziel das andere Extrem: nicht kleine Windräder, sondern grosse will er bauen. Richtig grosse! Und vertikale!

Zehn Jahre harte Arbeit

Seit zehn Jahren forscht seine Firma mit dem Namen Agile Wind Power in der Schweiz an den Vertical Sky-Windturbinen. Ihre Büros haben die Windradbauer in Dübendorf. Als Produktionsstandort wählten sie vor einem Jahr die Hallen eines ehemaligen Flughafengeländes in der Ortschaft Lemwerder im Norden von Deutschland. In dieser Region sind weitere Windenergie-Unternehmen beheimatet, sie verfügt über qualifizierte Fachkräfte und über Industrieflächen mit Zugang zu internationalen Häfen.

Patrick Richter, Gründer und CEO von Agile Wind Power
Patrick Richter, Gründer und CEO von Agile Wind Power.

Erster grosser Testaufbau

Anfang September wurde auf dem Windtestfeld in Grevenbroich bei Düsseldorf der Bau der ersten Vertical Sky-Windturbine abgeschlossen. Dieser Produkttyp mit einer Nennleistung von 750 kW, einer Gesamthöhe von 105 Metern und einem Rotordurchmesser von 32 Metern soll ab Herbst 2020 getestet werden. Eine aktive und kontinuierliche Blattverstellung, also eine Echtzeit-Rotorblatt-Einstellung, ermöglicht einen hohen Wirkungsgrad bei tiefen Drehzahlen des Rotors. Der Anstellwinkel der Rotorblätter zur Windrichtung ist dadurch jederzeit optimal. Die Fachwelt nennt diesen Vorgang «kontinuierliches Pitchen». Von der Bauart her wird die Vertical Sky A32 das kleinste Produkt sein, das die Firma künftig anbieten will. Die vertikale Windenergieanlage positioniert sich nämlich in der Megawatt-Klasse und soll in dezentralen Energiemärkten eingesetzt werden.

Vertical Sky von Agile Wind Power − erste Eindrücke.

Leise, kraftvoll und umweltschonend

Neben der Effizienz ist ein grosser Vorteil dieser Technologie gegenüber herkömmlichen Windanlagen, dass sie im Betrieb sehr leise ist. Weil die Geräuschentwicklung gemäss Angaben von Agile Wind Power in der 5. Potenz mit der Windgeschwindigkeit einhergeht, ergibt dies – verglichen mit herkömmlichen Anlagen – eine beträchtliche Reduktion der Schallleistung. Die Anlage wird als dreimal leiser empfunden als die 100–105 Dezibel Schallleistung herkömmlicher Windturbinen. Zudem erkennen Vögel und Fledermäuse die vertikal ausgerichteten Rotorblätter besser und fallen ihnen so nicht zum Opfer.

«Neben der Effizienz ist ein grosser Vorteil dieser Technologie gegenüber herkömmlichen Windanlagen, dass sie im Betrieb sehr leise ist.»

Ein weiterer Vorteil ist die kompakte Bauart. Sie ermöglicht die einfache Logistik für Transport, Installation, Betrieb und Unterhalt und sichert so eine hohe Umweltverträglichkeit. Dieser Vorteil ermöglicht es zum einen, die vertikalen Windräder näher an besiedelte Gebiete zu rücken, und zum anderen, sie an schwierig zugänglichen Standorten einzusetzen, die mit bestehenden Windrad-Technologien nicht bedient werden können. Das macht das System für die dezentrale Stromversorgung besonders attraktiv.

Patrick Richter, Gründer und CEO von Agile Wind Power nennt seine Mission: «Repowering the world!». Zusammen mit seinem Team teilt er die Leidenschaft für technologische Innovationen und die Vision, Nachhaltiges zu schaffen.

Nachtrag zum Artikel

Vorfall an der Vertical Sky-Prototypanlage in Grevenbroich

16. November 2020 — An der neuen Gross-Windanlage Vertical Sky A32, die Anfang September auf dem Windtestfeld in Grevenbroich bei Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen, Deutschland) errichtet wurde, ist am Sonntag 15. November 2020 kurz nach 19:00 Uhr ein Rotorarm abgebrochen. Personen wurden nicht verletzt. Es entstand Sachschaden.

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