Dank Cirqit hat Martin Gubler von der Firma Ricoter AG in Frauenfeld stets den aktuellen Schaltplan zur Hand .

Mitunter braucht es aussergewöhnliche Konstellationen, um Innovatives zu schaffen! Beim Start-up Cirqit waren es zerfledderte und verschmierte Elektro-Schaltpläne und der erste Corona-Lockdown. Das Ergebnis ist eine Cloud-basierte Lösung, die es Elektrikern gestattet, Schemata auf ihrem Smartphone anzusehen und diese dort zu editieren.


Markus Back (Autor) und Susanne Seiler (Fotos)


Den Beitrag hören/herunterladen

Stefan Senn hat als gelernter Elektro-Installateur schon so manche Schaltschranktür geöffnet. Dabei fällt ihm immer wieder der zum Teil äusserst miserable Zustand der hinterlegten Elektro-Schaltpläne auf. «Bei manchen Schaltplänen fehlen einzelne Seiten, in anderen Fällen findet sich nur noch Konfetti am Boden, weil sich Mäuse aus den Plänen ein Nest gebaut haben», beschreibt er das, was er anstelle eines lesbaren Schemas mitunter so alles zu sehen bekommt.

Nicht besser war der Zustand eines Häcksler-Schemas, welches er in einer Sägerei vorfand. «Dieser stand im Freien und die Feuchtigkeit hatte alle Korrekturen, die mit Kugelschreiber und Filzstift eingetragen wurden, verwischt. Es war unmöglich, diese Änderungen nachzuvollziehen», erinnert sich Stefan Senn an den Startschuss von Cirqit. Als der bei ihm stehende Betriebsmechaniker fragte, ob es eigentlich nichts Besseres als diese unsinnigen Papierausdrucke gebe und dann auch noch scherzte, dass doch ein QR-Code cool wäre, mit dem man sich die Schaltpläne online ansehen könnte, war der Keim gesetzt.

Über den QR-Code lassen sich Elektroschemata auf dem Handy anschauen und editieren.
Über den QR-Code lassen sich Elektroschemata auf dem Handy anschauen und editieren.

Berufserfahrener Praktiker als Programmierer

Doch wie entwickelt man eine solche Anwendung? Nur gut, wenn der beste Kollege ganz zufälligerweise gelernter Elektromechaniker ist und schon seit Jahren seinen Lebensunterhalt mit Programmieren bestreitet! «Ich war sofort von der Idee angetan», versichert Cirqit-Mitbegründer René Huber und fügt hinzu: «Da ich selbst vom Fach bin, konnte ich mich sehr gut in die Anwendung hineindenken und mir überlegen, wie ich es gerne hätte, wenn ich damit arbeiten müsste.»

Zunächst blieb es nur bei der Diskussion der Idee – auch mit anderen Freunden. Dann kam Corona! «Wegen des Lockdowns konnte ich plötzlich meinen Hobbies nicht mehr nachgehen. Also habe ich abends angefangen zu programmieren», so René Huber.

«Irgendwann kam er und sagte, schau, es funktioniert!», erinnert sich Stefan Senn an seinen Erst-Kontakt mit der smarten und Cloud-basierten Lösung. Bereits diese erste Version erlaubte es, einen QR-Code zu generieren und hinter diesem Schemata zu hinterlegen, die sich über das Internet abrufen und auf einem Smartphone oder Tablet abbilden lassen.

René Huber (links) und Stefan Senn machen Schluss mit unleserlichen Schaltplänen.
René Huber (links) und Stefan Senn machen Schluss mit unleserlichen Schaltplänen.

Web-basierter Editor

Weil das Schema online ansehen zwar gut, aber nicht perfekt ist, musste René Huber weitere Abende an der Tastatur verbringen. Wieso, erklärt Stefan Senn: «Gerade bei älteren Anlagen müssen relativ häufig Änderungen vorgenommen werden, weil zum Beispiel bestimmte Bauteile nicht mehr erhältlich sind. Diese Anpassungen sollten ja idealerweise gleich im Schema vermerkt werden.»

Obwohl die realisierte Editierfunktion auf bestehenden Frameworks aufbaut, war deren Umsetzung rückblickend die grösste Herausforderung: «Das erste Framework hat nie so richtig funktioniert und beim zweiten bin ich schnell an dessen Grenzen gestossen», erinnert sich René Huber. Erst im dritten Anlauf gelang es ihm schliesslich, den Elektro-Schaltplan als PDF zu hinterlegen, über das eine Touch-Funktionalität gelegt wird.

Damit dieser web-basierte Editor einfach in der Handhabung bleibt, ist er rudimentär ausgelegt. So gibt es beispielsweise keine Drop-down-Menüs, da diese den Editor schnell überladen und kompliziert in der Anwendung machen würden. Wichtigstes Werkzeug ist aber wie bei einem Smartphone der Finger. Er dient als Schreibstift und Radiergummi zugleich.

In einer späteren Version sollen sich mit ihm dann auch Schaltzeichen einkreisen und per Copy-and-paste an anderer Stelle im Schema duplizieren lassen. Dieser Ansatz wird ebenfalls dem schlanken Gedanken gerecht und ermöglicht es, den Editor einfach in der Anwendung zu halten.

Versionierte Schemata

Sobald eine Korrektur abgespeichert ist, erstellt es von dem Schema in der Cloud eine neue Version. Die alte bleibt ebenfalls erhalten, damit Aussenstehende, die vielleicht einmal an der Anlage arbeiten müssen, diese Änderungen einfacher nachvollziehen können. Zugleich erhält der Elektroplaner, Anlagenbauer oder wer auch immer den Schaltplan entworfen hat, eine Benachrichtigung. So kann dieser die Korrekturen in den Originalplänen nachtragen und ist jederzeit auf dem Laufenden.

Im Idealfall löscht der Verantwortliche die bestehenden Schemata und hinterlegt auf dem entsprechenden QR-Code die neue Version. Inwieweit diese Funktionalität aber genutzt werden wird, darüber können die Jung-Unternehmer nur spekulieren. Doch das ist für sie letztlich auch gar nicht spielentscheidend! Mit Cirqit haben nämlich die Anwender, für die sie schliesslich das Hilfsmittel entwickelt haben, garantiert immer die aktuellste Version eines Schaltplans zur Hand. Und diese braucht es letztlich, um draussen im Feld schnell und sicher zu arbeiten.

Veröffentlicht am: