Starkstromkabel

Laudatio zum Stand der Technik

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In einem modernen Starkstromkabel steckt weit mehr als nur blanker Kupfer mit etwas Isolation. Ganz besonders gilt dies für Drehstromkabel mit Leiterquerschnitt ab 25 mm2, bzw. mit Stromstärken von über 100 A. Dabei hat man erkannt, dass die EMVU (elektromagnetische Umweltverträglichkeit) bei der Starkstromübertragung massgebend von der Konstruktion des Starkstromkabels abhängt und somit, bei geeignter Vorgehensweise, ein Mehrwert geschaffen werden kann.

Kürzlich berichtete eine auflagenstarke Fachzeitschrift über ein Starkstromverkabelungsproblem. Es ging um die Verlegung von Einleiterkabeln in je vierfacher Ausführung pro Aussenleiter. Der Experte gab dem Fragesteller die zwei Empfehlungen in Abbildungen #1 und #2:

Abbildung 1: Einleiterkabel, parallel verlegt, ITot ≈ 1000A
Abbildung 2: Einleiterkabel, im Bündel verlegt, ITot ≈ 1000A

Gemäss VDE 0100-540, bzw. IEC 60364-5-54 existiert die EMV-Anforderung, dass keine AC-Ströme auf Schutzleiter, Erdleiter und Potenzialausgleichsleiter fliessen dürfen. Diese Forderung wird in der Praxis leider immer noch massiv verletzt, die induzierten Erdleiterströme betragen bei der Verlegung nach Abbildung 1 ca. 50 A, nach Abbildung 2 ca. 40 A!

Es ist unverständlich, dass Experten immer noch obige Empfehlungen abgeben, weil Erdschlaufenströme so oder so zu den ärgerlichsten EMV-Problemen in der Elektrotechnik gehören [#7].

Im weiteren darf es bei der Verlegung von Starkstromkabeln im Normalfall keine Rolle spielen, wie die Kabel verlegt werden, ob in Trassen, unterhalb von Decken, im Doppelboden oder in Kabelkavernen. Starkstromverbindungen müssen so ausgelegt sein, dass die magnetischen Streufelder sowie Erdschlaufenströme keine Grenzwerte verletzen, weder gesetzliche noch technische.

Folgende zwei EMV-Merkmale bestimmen die NF-Qualität von Starkstromverbindungen:

 

1. Das magnetische Streufeld

Abbildung 3: Magnetfeldverlauf um einen stromdurchflossenen Leiter

Jeder stromdurchflossene Leiter erzeugt ein magnetisches Streufeld. Die Höhe dieses Streufeldes ist abhängig von der Stromstärke sowie der Anordnung der stromführenden Leiter. Abbildungen #3 und #4 zeigen schematisch den Streufeldverlauf eines strom­führenden Leiters.

Um das daraus resultierende magnetische Streufeld zu minimieren, werden bei Starkstromverbindungen  Hin- und Rückleiter möglichst nahe zusammengelegt. Noch viel effizienter lässt sich das Streufeld reduzieren, wenn die stromführenden Leiter zusätzlich verseilt werden. Dabei sollte die Schlaglänge aber optimal auf den Kabeldurchmesser abgestimmt sein. Je kleiner das Streufeld, umso höher der Wirkungsgrad und umso geringer, ganz nebenbei, auch die Übertragungsverluste.

Abbildung 4: Magnetfeldverlauf

Die Installationsarten in Abbildung #5 werden nun entsprechend ihrer elektro­magentischen Verträglichkeit miteinander verglichen.

Damit die Berechnungen möglichst der Praxis entsprechen, wurden unterschiedliche Phasenströme gewählt, so dass sich auch ein Neutralleiterstrom einstellt. Die genauen Berechnungsparameter sind in Abbildung #6 eingetragen. Zudem wurden in der Simulation auch die induzierten PE-Ströme berücksichtigt, die approximativen PE-Induktionsströme sind aus Abbildung #8 ersichtlich.

Abbildung 5

Zu erkennen ist, dass das magne­tische Streufeld mit der «CFW PowerCable»-Technologie [2] steil abfällt: Somit werden mit dieser Technologie auch die Übertragungsverluste am kleinsten. Dies ist die Auswirkung des zentrisch angeordneten Schutzleiters sowie der verseilten Aussenleiter. Mit dieser Technologie wird der CH-Anlagegrenzwert (1 μT) bereits im Abstand von ca. 35 cm eingehalten und im Abstand von ca. 1 m auch der empfindlichste technische Grenzwert (0,02 μT). Der Elektroplaner braucht sich also bei der Kabelführung keine Gedanken mehr über die Einhaltung von Mindestabständen zu machen – selbst bei Strömen von über 1000 A.

Abbildung 6: Magnetische Streufeldberechnungen, I1 = 250A, I2 = 216A, I3 = 195A, IN = 48.1A
Abbildung 7: Das Bild zeigt, dass der PE-Leiter im TN-S-Netz als Folge des Induktionsgesetzes nicht stromlos ist. Das rot eingezeichnete Streufeld induziert in die PE-Schlaufen Induktionsspannungen, die sich in der Praxis als Erdschlaufenströme (IPE) jederzeit nach

2. Induktion/Gegeninduktion

Abbildung 8: PE-Induktionsströme der betrachteten Leiteranordnungen bezüglich Querschnitt und Nennstrom

Magnetische Streufelder erzeugen in elektrisch leitenden Materialien, sofern diese parallel zu den stromführenden Leitern angeordnet sind (beispielsweise Erdleiter, Kabeltrassen, Gas- und Wasserleitungen usw.), Induktionsspannungen, die in sogenannte Erdschlaufenströme umgewandelt werden. Bei Nichtbeachtung dieser Problematik können so auch bei TN-S-Installationen massive Erdschlaufenströme entstehen, die nicht selten 10 bis 15 Prozen des grössten Phasenstroms erreichen.

Die unangenehmen Folgen sind beispielsweise Korrosionsschäden, lästige Magnetfelderhöhungen, galvanische und magnetische Einkopplungen auf Elektronikplatinen, Daten- und Signalleitungen sowie zusätzliche Übertragungsverluste Abbildung #7.

Genau genommen existieren zwei Induktionsprobleme, einerseits wenn der PE geometrisch unterschiedliche Abstände zu den Aussenleitern aufweist (Induktion), anderseits wenn der PE parallel zu den Aussenleitern angeordnet ist (Gegeninduktion). Diese physikalisch äusserst wichtige Erkenntnis erklärt, warum der PE auch in einem 5-Leiter-Standardkabel nicht induktionsfrei ist, selbst wenn alle Leiter miteinander verseilt sind. Abbildung #8 zeigt die Induktionsproblematik an den abgebildeten Leiteranordnungen.

Die immer noch weitverbreitete Einzeladerverlegung erweist sich auch in dieser Betrachtung als ungünstigste Variante, sowohl in Bezug auf das magnetische Streufeld Abbildung #6 als auch in Bezug auf die induzierten PE-Ströme Abbildung #8.

Untermauert wird diese Aussage durch das Zitat von Dipl. Ing. Karl-Heinz Otto (öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Elektrotechnik): «Auch ich kann nur dringend von einer Einzeladerverlegung abraten. Ich habe kürzlich einen grossen Gebäudekomplex in Düsseldorf nach Korrosionsschäden und Störungen im Netzwerk untersuchen müssen. Über 44 A (!) wurden trotz Netzsystem TN-S auf den Erdleiter eingekoppelt.»

Wie schon erwähnt, lösen auch Standardkabel das PE-Induktionsproblem nicht, weil der geometrische Abstand zu den Aussenleitern unterschiedlich ist Abbildung #5. Ab einem Leiterquerschnitt von 35 mm2 liegen die PE-Induktionsströme doch schon im Bereich von 5 A! Alle Berechnungen wurden mit dem Simulationsprogramm EFC 400EP der Forschungsgesellschaft für Umwelttechnik (FGEU) Berlin erstellt und bestätigen die praktischen Erfahrungswerte in jeder Beziehung.

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Impressum

Autor:
Christian Fischbacher
Senior EMV-Consultant
CFW EMV-Consulting AG

Literatur
[1] Rudnik, S.: EMV-Fibel für Elektroniker, Elektroinstallateure und Planer.
Berlin Offenbach: VDE VERLAG, 2015
(ISBN 978-3-8007-4007-9)
[2] CFW EMV Consulting AG, www.cfw.ch

Informationen

www.cfw.ch

Veröffentlicht am: