Zumtobel hat Fachleute verschiedener Fachrichtungen zu einem Round Table unter dem Titel «Office and New Work» zusammengebracht und in der anregenden Atmosphäre der fortschrittlichen Immobilie uptownBasel mit ihnen einen Gedankenaustausch geführt. Geleitet wurde das Gespräch von Simone Giesinger von Zumtobel Lighting.
Redaktionelle Bearbeitung: eTrends
Bilder: Zumtobel / Raumbilder zeigen unterschiedliche Räume, Beleuchtungskonzepte und Einrichtungen in uptownBasel.
Mit am Round Table waren:
Birgit Gebhardt, Trendforscherin & Autorin, Hamburg.
Johanna Trüstedt, Leiterin des Teams User Experience, Drees & Sommer Schweiz
Hans-Jörg Fankhauser, Architekt und Arealentwickler, CEO Fankhauser AG
Carina Buchholz, Senior Brand und Application Content Managerin, Zumtobel Lighting
Jan Schrottenholzer, Head of Application Office & Education, Zumtobel Lighting
Moderation: Simone Giesinger, Content & Media Managerin, Zumtobel Lighting
Simone Giesinger: Zumtobel hat zum Round Table Office und New Work eingeladen, weil uns das Thema Zukunft der Arbeitswelten sehr beschäftigt. Ich möchte gern mit einer Frage an Birgit Gebhardt starten. Du veröffentlichst seit 10 Jahren Studien zum Thema Zukunft der Arbeitswelt. Unter dem Schlagwort New Work stellen wir uns in der Regel sehr flexible Mitarbeiter vor, die täglich entscheiden können: arbeite ich lieber zuhause oder gehe ich ins Büro und vernetze ich mich dort mit meinen Kollegen. Klingt gut, oder?
Birgit Gebhardt: Ja, das ist eine tolle neue Freiheit, die neben der zeitlichen nun auch örtliche Flexibilität ermöglicht. Das Problem ist allerdings, dass die Mitarbeiter oft nicht genau wissen, warum sie ins Büro gehen sollten oder warum sie zu Hause bleiben sollten. Sie richten diese Entscheidung meist nach ihrer persönlichen Agenda, ob der Hund raus muss oder der Paketbote kommt. Ihnen fehlen meist klare Vorteile oder Qualitäten, die bestimmen, welche Tätigkeit sie wo ausführen. Diesen Vorwurf kann man den Mitarbeitern nicht machen, da sie in einer Arbeitswelt sozialisiert worden sind, in der der Arbeitsplatz dort war, wo der Monitor steht. Ganze Bürogebäude sind immer noch nach diesen Bildschirmarbeitsplätzen ausgerichtet, dabei benötigen wir ganz andere Qualitäten, um uns konzentrieren und kreativ arbeiten zu können.
Simone Giesinger: Wo sollte man ansetzen, um eine Veränderung zu bewirken, insbesondere auf der Unternehmensseite?
Birgit Gebhardt: Auf Unternehmensseite wäre es wichtig, bevor sich alle ins Homeoffice verabschieden, nicht einfach nur die Fläche zu rationalisieren. Es geht darum, einen Ort zu bieten, an dem etwas anderes passiert als zu Hause. Ein Ort, an dem nicht nur Begegnungen stattfinden, sondern wo auch eure Wirksamkeit, das, was den Arbeitsweg oder den Aufwand des Arbeitswegs kompensiert, stattfindet. Meine These wäre, dass das Büro nicht nur ein Ort der Begegnung, sondern eigentlich ein Ort des Lernens werden sollte.
Simone Giesinger: Meinst du, Lernen kann nur im Büro stattfinden? Aus der Corona-Zeit mit Zoom und diesen ganzen Online-Formaten hat man gelernt, dass es eigentlich gar nicht so schlecht funktioniert hat, was viele überrascht hat.
Birgit Gebhardt: Das ist wirklich toll. Wir wurden quasi in die digitale Vernetzung getrieben, was auch wichtig und notwendig war. Wir sehen die Vorteile, aber mein Vorwurf ist, dass wir immer noch nicht genau wissen, welche Form des Meetings zu welchem Ziel führt oder was effektiv ist. Wir verbringen den ganzen Tag vor dem Bildschirm und halten Online-Meetings ab, weil es so praktisch ist. Ob es wirklich so effektiv ist, wie wir hoffen, steht auf einem anderen Blatt.
Neuer Mix von Arbeitsplätzen und Besprechungsräumen
Simone Giesinger: Johanna Trüstedt, du bist als New-Work-Expertin bei Drees und Sommer tätig und berätst Firmen zu diesem Thema. Erlebst du momentan eine verstärkte Nachfrage?
Johanna Trüstedt: Ja. Denn die Firmen überlegen sich nun, was sie mit ihren Flächen anstellen sollen. Und zu deiner These vorhin: Ich denke, Menschen kommen ins Büro wegen der Menschen, nicht mehr wegen der Arbeit. Der Automatismus «ich stehe morgens auf und gehe zur Arbeit» existiert nicht mehr. Daher muss der Raum auch etwas anderes bieten; neue Dinge, nicht nur Lernen, sondern auch Konzentration oder Austausch mit Kollegen. Diese Überlegungen beschäftigen die Firmen. Bei all unseren Kunden stellen wir fest, dass tatsächlich nur 60 Prozent der Arbeitsplätze genutzt werden. Dann stellt sich die Frage: Brauche ich einen anderen Mix von Arbeitsplätzen und Besprechungsräumen?
Simone Giesinger: Siehst du eher die Tendenz, dass Firmen dazu neigen, Flächen abzustossen, oder schauen sie eher darauf, wie sie die Situation optimieren und die Mitarbeiter zurück ins Büro holen?
Johanna Trüstedt: Es gibt beide Ansätze. Die einen reduzieren ihre Bürofläche um 20 bis 30 % und investieren mehr in die Qualität. Der neue Ansatz ist also weniger Fläche, aber mehr Qualität. Man kann aber nicht automatisch sagen, wenn ich Sharing mache, kann ich die Fläche reduzieren. Man muss den richtigen Mix finden. Vielleicht brauchen wir mehr Kollaborationsflächen, die sowohl geschlossen als auch offen sein können, oder Lernlandschaften. Bei grossen Unternehmen mit vielen Standorten kann eine Reduzierung um 20 bis 30 Prozent sinnvoll sein, bei kleineren Unternehmen muss man genau hinschauen und herausfinden, was wirklich gebraucht wird.
Simone Giesinger: Passend dazu könnten wir über diesen Ort hier sprechen Hans Jörg. Du hast das Areal, auf dem wir uns befinden, zu einem Vorzeigeprojekt für Nachhaltigkeit und New Work geschaffen. Was macht uptownBasel so besonders?
Hans-Jörg Fankhauser: Wir schaffen hier einen Campus für 100 Firmen und das bedeutete auch, dass wir uns mit Kollaborationsflächen beschäftigen mussten. Hier haben wir zum Beispiel zwei Etagen mit jeweils 6000 Quadratmetern. Ein grosses europäisches Unternehmen nimmt eine Etage ein und mit ihnen haben wir exakt das gemacht, was zuvor diskutiert wurde. Wir haben uns entschieden, 50 Prozent der Fläche dieser Etage offen zu gestalten. Dann kam Corona und ich denke, wir liegen richtig. Es ist sehr interessant zu sehen, dass alle Arbeiter hier sind, wenn sie nicht gerade in Meetings sind. Wir haben natürlich auch geschlossene Bereiche eingebaut aufgrund von Datenschutzthemen. Aber ein Stockwerk ist offen, man kann überall hingehen, es gibt überall Tische und Kaffeestationen. Unsere Auffassung ist also: Heutzutage benötigt ein modernes, innovationsgetriebenes Unternehmen 50 Prozent Kollaborationsfläche.
Simone Giesinger: Das Projekt ist über Generationen angelegt. Wie wurde das architektonisch umgesetzt, um über die Jahre hinweg flexibel zu bleiben?
Hans-Jörg Fankhauser: Als ich die Aufgabe erhielt, habe ich viele Gespräche geführt. Es war klar, dass das Gebäude hohe Flexibilität haben muss. Von aussen sieht man den riesigen Träger, der ästhetische und funktionale Zwecke erfüllt. Das Gebäude ist stützenfrei und kann leicht umgestaltet werden, was wir Kreislaufwirtschaft nennen. Nachhaltigkeit war ein zentraler Punkt. Wir haben eine deutsche Zertifizierung für Nachhaltigkeit, und in meinem Arealentwicklungsteam sind mehr Umweltspezialisten als Architekten.
Simone Giesinger: Wir haben vorhin darüber gesprochen, und man sieht es auch hier in diesem Raum - Tageslicht ist sehr präsent. Welche Rolle spielt das Thema Licht für Sie in einer New Work-Umgebung?
Hans-Jörg Fankhauser: Ohne Licht gibt es keinen Raum. Und wir brauchen Räume, um Kreativität oder Rückzug zu ermöglichen. Ein Rückzugsraum benötigt eine andere Beleuchtung als ein kreativer Raum. Daher benötigen wir einen Partner wie Zumtobel, mit dem ich bereits seit vielen Jahren zusammenarbeite und die Beleuchtungsfrage diskutieren kann. Ich erinnere mich gut an diese Meetings, wo wir diskutierten, was wir hier machen wollen. Nun sieht man das Ergebnis, und alle sind zufrieden. Wir haben mit einfachen Mitteln hier klare Strukturen aufgebaut, die man anpassen kann. Wir profitieren natürlich vom Tageslicht. Wir können aussen beschatten und innen hochfahren, so dass wir immer wunderbares Licht haben. Und zwar so, dass man immer weiss, zu welcher Tageszeit man arbeitet. Die Beleuchtung muss sich natürlich entsprechend anpassen. Abends müssen wir entscheiden, wie wir das Licht einstellen. Sollen wir es reduzieren, weil es draussen so schön ist, oder hängt es von der Situation ab? Wir sind dabei, verschiedene Räume zu schaffen, und wir nutzen das Licht, um den Raum zu unterstützen oder sogar zu gestalten.
Das Thema Nachhaltigkeit
Simone Giesinger: Carina Buchholz, wir kommen bei dieser Diskussion nicht um das Thema Nachhaltigkeit. Du bist bei Zumtobel für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich. Was gehört aus deiner Sicht zu einem nachhaltigen Bürogebäude?
Carina Buchholz: Erinnerst du dich an das letzte Jahr, als ich die Aufgabe erhielt, mich um die Nachhaltigkeit für die Marke Zumtobel zu kümmern? Es war eine spannende und herausfordernde Aufgabe. Bei meiner Recherche stiess ich auf die 17 Thesen für Nachhaltigkeit von Werner Sobek, meinem Landsmann aus Stuttgart. Besonders aufgewühlt hat mich These 5: Er betont, es sei falsch, den Fokus nur auf die Energieeffizienz in der Nutzungsphase zu legen. Energieeffizienz ist natürlich bei Licht immer das Hauptthema und leicht zu messen. Sobek argumentiert jedoch, dass wir unsere Handlungsrichtungen ändern müssen, wenn wir die Welt bebauen. Die Priorität sollte auf einer drastischen Reduktion der grauen Emissionen liegen.
Unsere Vision bei Zumtobel lautet «creating light creates timelessness». Damit meinen wir zeitloses Design. Wir wollen keine kurzlebigen Trends bei Leuchten erzeugen, sondern solides Design, das über Jahrzehnte Bestand hat. Hochwertige Materialien und gute Qualität ermöglichen es uns, Produkte länger zu nutzen.
Zum Beispiel haben wir schon vor Jahrzehnten einen Aluminiumkanal auf den Markt gebracht. Damals haben unsere Kunden gefragt, warum wir Aluminium verwenden, wenn der Kanal in der Decke ist. Heute wissen wir, dass Aluminium ein guter Rohstoff ist, den man in Europa zu 75 Prozent recyceln kann und auch mehrfach recycelt werden kann, ohne Qualitätsverluste zu erleiden.
Es geht uns jedoch nicht nur um das Produkt und seine Qualität, sondern auch um die Lichtqualität. Hier spielen ganzheitliche Ansätze eine wichtige Rolle. Licht wirkt auf den Menschen auf drei Ebenen: Tages- und Kunstlicht, visuelle Unterstützung und emotionale Lichtwirkung. Gerade dieser letzte Aspekt wird oft vernachlässigt. Es geht um Fragen wie: Was macht der Raum mit meinen Emotionen? Wie kann ich Räume mit Licht öffnen oder schliessen? Wie kann ich Rückzug bieten oder Kreativität fördern? Licht kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit bei uns ist die Digitalisierung, die wir als «Connected Architecture» bezeichnen. Mit Lichtsteuerung können wir Räume für verschiedene Zwecke verändern. Sensoren können Temperatur, Heizung und Luftqualität messen. Durch die Vernetzung - sowohl analog als auch digital - kann das Gebäude lernen und sich anpassen. So wird es zu einem lernenden Ökosystem, das über Jahrzehnte hinweg funktioniert und dabei die Umwelt schont.
Wenn Licht einen Wandel bewirken kann
Simone Giesinger: Du hast gerade das Thema «vernetztes Gebäude» angesprochen. Jan, du bist bei Zumtobel für den Bereich Office-Beleuchtung zuständig. Angenommen, unser Ziel ist es, die Menschen wieder ins Büro zu bringen, damit dort wieder neue Gedanken und Ideen entstehen. Wie können uns neue Technologien, insbesondere im Bereich Licht, dabei helfen, diesen Wandel zu bewirken?
Jan Schrottenholzer: Wir setzen uns seit einiger Zeit mit der Frage auseinander: Was passiert nach Covid? Wie Birgit Gebhardt bereits erwähnt hat, stellt sich die Herausforderung, die Mitarbeiter wieder ins Büro zu bringen. Unsere Projekte orientieren sich an dieser Aufgabe, Räume zu schaffen, in die die Mitarbeiter gerne zurückkehren. Wenn wir uns uptownBasel anschauen, bricht das deutlich mit dem traditionellen Büro, wie wir es vor 15-20 Jahren kannten.
Seit vielen Jahren sprechen wir über das Internet der Dinge (IoT) im Gebäude. Es gab Projekte, bei denen wir bis zur IP-Adresse des einzelnen Lichtpunkts vernetzt haben. Das waren Pilotprojekte, um zu erkunden, wie weit wir Gebäude mit Licht vernetzen können.
Ein grosser Vorteil ist unser dichtes Installationsnetz. Licht ist eines der Gewerke, das sehr eng im Raum verbaut wird, insbesondere in Bürogebäuden. Wir sorgen dafür, dass die Mitarbeiter überall im Büro die passende Beleuchtung vorfinden, um ihre Aufgaben bestmöglich zu erfüllen.
Neben der eigentlichen Beleuchtungsaufgabe können wir mit Licht auch Sensoren verbinden, um Informationen zu erfassen. Wenn wir beispielsweise die Bewegungen der Mitarbeiter erfassen, können wir das Licht dorthin bringen, wo es für die jeweilige Aufgabe benötigt wird. Ob es sich um eine Lernaufgabe in einem Unternehmen oder um die Gestaltung eines Arbeitsplatzes oder Kollaborationszonen handelt, wir können das Licht gezielt dorthin bringen, wo es benötigt wird.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Lichtemission nach aussen. Wir sind in der Bürobeleuchtung immer damit konfrontiert, das Licht im gesamten Raum zu verteilen, sowohl an der Decke als auch an den Wänden, um eine angenehme Atmosphäre für die Mitarbeiter zu schaffen. Dabei müssen wir jedoch auch die Lichtemissionen nach aussen und deren Auswirkungen auf die Flora und Fauna berücksichtigen. Es ist sehr wichtig, nicht zu viel Lichtverschmutzung zu erzeugen.
Hans-Jörg Fankhauser: Ich kann bestätigen, dass man hier nachts hauptsächlich Bäume sieht, obwohl wir mitten im Siedlungsraum sind. Wir haben uns entschieden, um zehn Uhr abends die Rollläden herunterzufahren. Das spart natürlich Energie, zum einen durch reduzierten Lichteinsatz und zum anderen durch Beschattung im Sommer. Obwohl wir die Kühlung des gesamten Geländes mit Photovoltaik betreiben, können wir den erzeugten Strom auch für sinnvollere Dinge einsetzen.
Lernzonen oder Rückzugsorte neu gestalten mit Licht
Jan Schrottenholzer: Ein weiterer Punkt, den ich anmerken möchte, betrifft die Schienensysteme, die hier die Lichtinfrastruktur tragen. Wir könnten uns fragen, wie wir Räume nutzen. Wie bereits erwähnt, haben wir hier oben 50 % Kollaborationsfläche, die wir in einigen Jahren möglicherweise überarbeiten müssen, je nachdem wie sich die Belegung ändert. Solche Systeme bieten Möglichkeiten, Lernzonen oder Rückzugsorte neu zu gestalten. Sogar einige Teile der aktuell verbauten Beleuchtung könnten verändert werden.
Du hast das Licht hier als etwas Besonderes bezeichnet, und ich muss sagen, dass wir tatsächlich grossartiges Licht haben, das durch ausgezeichnete Beleuchtung erreicht wurde. Mit wenig Aufwand können wir andere Formen von Leuchten einbauen, die in das gleiche Infrastruktursystem eingehängt werden können. In Zukunft könnten wir hier eher dekorative Beleuchtung einsetzen, die eine Zone kreiert, anstatt einer uniformen Beleuchtung im gesamten Raum. Diese Überlegungen sind zukunftsorientiert und ermöglichen den Einsatz neuer Technologien mit weniger Aufwand, ohne dass umfangreiche Infrastrukturen in aufwendigen Recyclingprozessen erneuert werden müssen.
Johanna Trüstedt: Ich finde es spannend, dass das Büro zu einem Chamäleon werden muss, das sich an alle Arten von Veränderungen anpasst, seien es Gefühle, Kultur oder Digitalisierung. Solche Systeme sind ideal dafür. Mit nur einem Klick kann man Änderungen vornehmen, die Lichtatmosphäre oder vielleicht die Farbe ändern. Die Herausforderung besteht darin, flexibel auf Veränderungen zu reagieren, die in immer kürzeren Abständen auftreten. Wie wir arbeiten, wird sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch ändern. Die Flexibilität, sowohl in Bezug auf das Licht als auch auf die Gebäudekreislauffähigkeit, ist besonders im Innenraum von grosser Bedeutung. Gebäude bauen wir für Jahrzehnte, im Innenraum sind es oft nur für zwei Jahre. Daher müssen wir mit solchen Systemen zukunftsorientiert und kreislauffähig bauen.
Mitarbeitende verbinden sich mit der Sensorik in der Decke
Birgit Gebhardt: Mir ist aufgefallen, dass Carina Buchholz über Nachhaltigkeit und Infrastruktur sprach, insbesondere über Aluminiumschienen, die im Gebäude verbleiben und an die neue Elemente angedockt werden können. In Gebäuden ziehen wir also eine sichtbare Infrastruktur ein, die Energie liefert und an die wir alles Mögliche anknüpfen können. Im Moment beschränkt sich unsere Sensorik auf grundlegende Parameter wie Anwesenheit, Temperatur und Feuchtigkeit. In Zukunft könnten wir uns jedoch mit unseren Smartwatches individuell mit dem Gebäude vernetzen, um zusätzlich das zu erhalten, was wir für unseren individuellen Arbeitsstil benötigen.
Simone Giesinger: Ich glaube, dass diese Zukunft gar nicht so weit entfernt ist. Tatsächlich haben wir Lösungen, die nicht mehr allzu weit entfernt sind.
Jan Schrottenholzer: Wir sind in diesem Bereich sehr aktiv in Forschung und Entwicklung. Wir haben bereits mehrere Pilotprojekte aufgebaut, in denen wir mit Hilfe von Licht und Infrastruktur Parameter wie Temperatur und Luftqualität erfassen. Wir arbeiten daran, diese Technologien zu industrialisieren. Möglicherweise sehen wir einige dieser weiteren Entwicklungsstufen auf diesem Campus. Ein Mitarbeiter, der sein Mobiltelefon bei sich hat, kann sich sofort mit der Sensorik in der Decke verbinden. Die Idee ist, dass jeder seine Lichtpräferenzen auf seinem Gerät speichert und die Beleuchtung je nach Tageszeit oder Wettersituation entsprechend seinen individuellen Bedürfnissen ändert. Vor zwanzig Jahren war das Büro ein Ort, der in technologischer Hinsicht einen Vorsprung gegenüber dem Zuhause bot. Heute verfügen wir alle zu Hause über eine IT-Infrastruktur, die oft besser ist als die an vielen Arbeitsplätzen. Daher muss das Büro in Zukunft aufgerüstet werden, um wieder attraktiver zu sein, insbesondere für die junge Generation und die nachfolgenden Millennials. Es gibt Studien, die zeigen, dass in wenigen Jahren mehr als fünfzig Prozent der Arbeitnehmer Post-Millennials sein werden. Für sie müssen wir neben einer angenehmen Arbeitsatmosphäre auch einen gewissen Wow-Effekt bieten.
«Jeder nicht zurückgelegte Kilometer bedeutet Einsparungen»
Jan Schrottenholzer: Ich möchte einen weiteren Punkt hinzufügen. Wir haben viel darüber gesprochen, wie die Atmosphäre ist und was wir für die Mitarbeiter tun. Wenn man aber das vernetzte Gebäude betrachtet und feststellt, dass bestimmte Bereiche gar nicht genutzt wurden, kann das Kosteneinsparungen für den Betreiber bedeuten. Vielleicht müssen keine Reinigungskräfte geschickt werden, um diese Bereiche zu reinigen. Es gibt schon Gebäudestandards, bei denen die Reinigungs- und Wartungsteams mit Elektroautos anreisen müssen, um Punkte bei diversen Gebäudezertifizierungsprogrammen zu erzielen. Jeder nicht zurückgelegte Kilometer bedeutet Einsparungen, sowohl monetär als auch in Bezug auf CO₂-Emissionen.
Birgit Gebhardt: Für mich ist es wichtig, dass wir ein Gefühl dafür entwickeln, was der Raum uns ermöglicht und was hier geschehen soll. Büroimmobilien stehen vor einer riesigen Herausforderung. Das Büro verliert seinen professionellen Vorsprung. Es sind nicht mehr die Gerätschaften, die den Unterschied ausmachen, die Arbeitsmittel wandern zum Menschen. Daher frage ich mich, warum ich überhaupt dorthin gehen sollte.
Momentan scheint es, als ob viele technologische Anforderungen eine Gebäudetechnik erzeugen, die zur Professionalisierung beiträgt, wenn sie individuell anpassbar ist. Das kann besonders effektiv sein, wenn man qualitative Faktoren messen und die Qualitäten für mich, für uns, oder vielleicht ganz anders für die beabsichtigte Aufgabe anpassen kann. Damit kann man den Raum und die Atmosphäre spontan verändern.
Das wäre ideal, denn die Menschen kommen, um andere Menschen zu treffen. Aber das alleine reicht nicht aus. Ich kann Menschen auch in einem Restaurant treffen, wo ich eine ganz andere, gemütlichere Beleuchtung und Atmosphäre vorfinde.
Wir stellen fest, dass wir unsere Kollegen treffen müssen und informelle Treffen brauchen, um die Zwischentöne zu entdecken. Dieses Kennenlernen ist nicht nur für die Einarbeitung wichtig, sondern spielt auch im Arbeitsprozess eine Rolle. Mit unserer physiologischen Wahrnehmung spüren wir diese Energie am stärksten in einem physischen Raum, und das ist entscheidend für unsere Arbeitsleistung. Licht, Pflanzen und Luft sind da entscheidende Qualitätsfaktoren, mit denen wir jetzt arbeiten müssen. Die Mitarbeiter müssen diese Faktoren für sich selbst justieren und die Industrie stellt ein grosses Spektrum zur Verfügung, das sogar besser sein kann.
Wir müssen diese Faktoren individuell für die Arbeit einsetzen. Beim aktivitätsbasierten Arbeiten geht es nicht nur darum, hier viel Licht für konzentriertes Arbeiten zu haben und dort wenig Licht für gemütliches Beisammensein. Wir haben zu viel dekoriert, ohne dabei zu verstehen, wie das eigentlich mit uns funktioniert.
Interessanterweise haben wir viele validierte Erkenntnisse über Licht, und wir können daraus Schlüsse ziehen. Wenn man zum Beispiel «Dinge unter einem anderen Licht betrachtet», ist das genau das, was passiert, wenn die Lichtfarbe sich merklich verändert und ich länger brauche, um mich wieder in eine Aufgabe hineinzufinden. Wenn ich aber das Licht so lasse, wie es war, als ich den Raum verliess, komme ich schneller wieder in die Aufgabe hinein. Wenn wir das begreifen, können wir viel produktiver und effizienter arbeiten. Wir sollten versuchen, die Qualitäten der Umgebung zu begreifen und funktional einzusetzen. Wir fangen gerade an zu verstehen, was diese qualitativen Aspekte können, sind aber noch weit davon entfernt, das in unseren Arbeitsalltag zu integrieren.
Birgit Gebhardt: Die Immobilienbranche scheint die letzte Bastion zu sein, die übrigens noch in der Business-to-Business-Denkweise verhaftet ist, in der es darum geht, Gebäude so flexibel wie möglich zu gestalten, damit der nächste Investor sie kaufen und verkaufen kann.
Dieser Ansatz berücksichtigt den Mieter nur bedingt, der letztendlich für die Einrichtung verantwortlich ist und dessen Mitarbeiter dort arbeiten. Die aktuelle Baubranche erreicht diese Mitarbeiter normalerweise nicht und erhält auch kein Feedback von ihnen. Im Gegensatz dazu stehen Branchen wie die Hotellerie, wo sofortige Bewertungen möglich sind. Ich glaube, das wird sich ändern. Die Nutzer haben die Möglichkeit, ihre Meinungen über Geräte zu äussern.
Auch wird unter dem Stichwort «Flexibilität» wurde oft einfach nur «Beliebigkeit» verstanden und sie galt dem Bauherren oder dem nächsten Käufer, da sie alles möglich machen konnten. Wir müssen uns jetzt jedoch intensiver Gedanken machen, was in den Gebäuden passiert, weil sie sonst einfach nicht mehr genutzt werden. Der Fokus sollte nicht mehr auf der signaturhaften Architektur der Neunzigerjahre liegen, sondern es muss einen spürbaren Mehrwert für den Nutzer geben. Der Weg ins Büro muss sich lohnen, sonst wird er einfach nicht unternommen.
Simone Giesinger: Das war ein wunderbares Schlusswort. Vielen Dank nochmal an alle.
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