Grosse Vorteile durch Vorfertigung

Vorgefertigte Verteiler für die Gebäudeautomation

Im Kantonsspital Uri in Altdorf wurden die Verteiler für die Gebäudeautomation komplett industriell vorgefertigt. Das bringt viele Vorteile, vom Test über die Montage bis hin zur Inbetriebnahme.


Von René Senn (Text) und Michael Donadel (Fotos)


Nicht nur die Digitalisierung der Bauprozesse verlangt nach neuen Installationsmethoden, auch Zeitdruck und Flexibilität sowie das Ausschöpfen von Kostenvorteilen sind Faktoren, die auf der Baustelle berücksichtigt werden müssen. Eine sehr gute Möglichkeit, die Flexibilität zu erhöhen und die Installationszeiten zu reduzieren, sind die Standardisierung und Vorfertigung. In diesen Bereichen haben Schweizer Baustellen noch grosses Potenzial. Insbesondere bei der Elektroinstallation und in der Gebäudeautomation werden die Vorteile der Vorfertigung sowie von steckerfertigen Installationen noch zu wenig genutzt.

Kantonsspital Uri als Modellbeispiel für die Vorfertigung

Ein mustergültiges Projekt und Modellbeispiel für die Zukunft ist der Neubau des Kantonsspitales Uri in Altdorf. Hier hat die Firma Leicom AG für die Einzelraumregulierung der Gebäudeautomation den Weg der Vorfertigung gewählt. 91 Raumautomations-Boxen hat Wieland Electric AG komplett industriell vorgefertigt und geliefert. Nur fünf unterschiedliche Typen waren dafür nötig. An dieser Stelle ist natürlich interessant zu wissen, was es im Vorfeld braucht, bis eine vorkonfektionierte und geprüfte Box auf der Baustelle installiert werden kann. Daniel Herzog, Projektleiter der Firma Leicom AG, erklärt: «Als Erstes braucht es ein Konzept mit allen SIA-Phasen des Projekts. Es fängt also bei der Planung an und hört bei der Inbetriebnahme, bzw. dem Unterhalt auf. Die standardisierten Boxen müssen uns in jeder Phase einen Vorteil bieten. Wir haben schon mehrere Projekte auf diese Art und Weise realisiert. Und wir haben bei jedem Projekt etwas dazugelernt. Zum Beispiel, wo die Schnittstellen zwischen Lieferanten und uns als Integrator liegen müssen.» Während Leicom die Schemata solcher Boxen früher noch selbst gezeichnet hat, beauftragt sie mit dieser Arbeit nun Wieland. Wieland fertigt also nicht nur die Box, sondern übernimmt auch einen Teil des Engineerings.

Ronny Gasser (links) und Simon Ivcec von Leicom AG tauschen sich bereits über Optimierungspotenzial für das nächste Projekt aus, damit ihnen die industrielle Vorfertigung noch mehr Vorteile bringt.
Ronny Gasser (links) und Simon Ivcec von Leicom AG tauschen sich bereits über Optimierungspotenzial für das nächste Projekt aus, damit ihnen die industrielle Vorfertigung noch mehr Vorteile bringt.

Voraussetzungen für die industrielle Vorfertigung

Warum diese Arbeitsverteilung besser funktioniert, erklärt Ronny Gasser, Kundenberater bei Wieland Electric AG, der Leicom in diesem Projekt betreute: «Wenn Leicom ein Schema erstellt, dann enthält es keine Informationen für unseren spezifischen, industriellen Produktionsprozess. Wenn wir als Wieland Electric AG mit unseren Tools das gleiche Schema erstellen, sind diese Informationen integriert.» Dazu gehören zum Beispiel Angaben zu Drahtlänge, Drahtfarben, der zu verwendenden Aderendhülse usw. Nur mit diesen Angaben können die Produktionsmitarbeiter bei Wieland die Box industriell fertigen. Die Fehlerquote geht damit gegen null.

Auch Änderungen an den Schemata lassen sich so viel besser umsetzen, weil der Produktionsprozess immer direkt involviert ist. «Die Anzahl Klemmen, Relais, Schützen usw., alles ist im Schema hinterlegt. Wenn das Schema digitalisiert ist, lassen sich diese Informationen für die Produktion und den Bestellprozess direkt nutzen. Das ist der Vorteil einer industriellen Fertigung», ergänzt Ronny Gasser. Wieland war auch für die Beschaffung aller Komponenten für die Box verantwortlich. Leicom lieferte anteilig sämtliche Steuerungskomponenten.

Vereinfachter Testprozess

Jede einzelne Box wurde nach der Produktion und Verdrahtung bei Wieland noch in der Produktion geprüft und CE-konform getestet. Danach gingen die Boxen aber nicht direkt auf die Baustelle, sondern zuerst zu Leicom nach Winterthur. «Wir haben jede Box vor der Montage zu 100 Prozent auf Funktionalität und Verdrahtung getestet. Dank der steckerfertigen Vorfertigung war dies für uns an einem Testplatz, der für dieses Projekt erstellt wurde, sehr einfach möglich», erklärt Daniel Herzog den weiteren Prozess.

Am Testplatz konnte Leicom die Firmware, bzw. den Flashspeicher in jede einzelne Steuerung laden und die so konfigurierte Steuerung inkl. aller Ein- und Ausgänge wie Taster und Ventile mit einer speziellen Testsoftware 1:1 auf die richtige Verdrahtung prüfen. Dieser Test wurde protokolliert, die Box beschriftet und erst danach auf die Baustelle geliefert. «Fehler in der Konfiguration können wir mit diesem Vorgehen praktisch ausschliessen. Es bedingt einen etwas grösseren Aufwand bei uns im Hause, dieser rechnet sich aber auf der Baustelle bei der Inbetriebnahme. Wichtig ist, dass alle Anschlüsse der Box steckbar ausgeführt sind, wo möglich noch farblich kodiert, damit nichts falsch eingesteckt werden kann. Wenn es Probleme gab bei der Installation bzw. bei der Inbetriebnahme, dann eher auf der Seite der Verdrahtung, also beim Installateur», ergänzt Herzog. Dass die Inbetriebnahme sehr gut verlaufen ist, bestätigt vor Ort auch Simon Ivcec, Projektingenieur der Firma Leicom AG, der die GA-Anlagen im Spital in Altdorf in Betrieb genommen hat.

«Die industrielle Fertigung bringt grosse Vorteile. Wir können den Prozess mit der Erfahrung aus jedem Projekt weiter optimieren.» Daniel Herzog, Leicom AG

Die industriell vorgefertigten Raumautomations-Boxen, wovon eine jeweils mehrere Zimmer bedient, wurden im Badbereich in der Hohldecke platziert.
Die industriell vorgefertigten Raumautomations-Boxen, wovon eine jeweils mehrere Zimmer bedient, wurden im Badbereich in der Hohldecke platziert.

Das Konzept muss früh stehen

Damit für die Raumautomations-Box in der Hohldecke genügend Platz zur Verfügung stand, wurde zu Projektbeginn ein leerer Prototyp gefertigt. Damit konnten in der Rohbauphase der Platz- und Installationsbedarf sowie die Befestigungspunkte bestimmt und mit den anderen Gewerken sowie dem Architekten koordiniert werden. Dazu gehörte auch der Blick in die Zukunft, denn die Boxen müssen im Betrieb für Wartungszwecke jederzeit zugänglich sein, ohne dass viele Deckenplatten aufwändig demontiert werden müssen. Auch der Installateur bzw. der Elektroplaner konnten den Prototypen nutzen, um im Detail zu definieren, wie und in welcher Art sie die steckbaren Anschlüsse an der Box installieren und verkabeln bzw. gestalten möchten. Neben den zahlreichen Ventilen und Sensoren, die auf die Raumautomations-Box geführt werden müssen, gehören auch die Speisung der Storenmotoren mit 3 × 400 V und die 24-V-Spannungsversorgung für die Steuerung zu den rund 25 steckbaren Anschlüssen.

Industrielle Fertigung hat Potenzial

Das Projekt Kantonsspital Uri in Altdorf zeigt sehr schön auf, wo und wie die industrielle Fertigung zum Gelingen eines Automationsprojekts beitragen kann. Wenn die involvierten Parteien eng zusammenarbeiten, ihr Knowhow und Wissen teilen und ergänzen, resultieren daraus bessere Abläufe. Diese, sowie die fehlerfreie Installation und reibungslose, effiziente Inbetriebnahme, sind die Grundlagen für die erfolgreiche, zeit- und kostenoptimierte Umsetzung zukünftiger Projekte. Insbesondere aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in der Planung führt wohl kein Weg an der industriellen Vorfertigung mehr vorbei. Ein allfälliger Mehraufwand in der Planung und Vorbereitung zahlt sich während der Realisierungsphase durch eine schnellere Installation mehrfach aus. Werden zudem vorkonfektionierte, steckbare Leitungen verwendet, kann weitere wertvolle Montagezeit eingespart werden. Dies verhindert auch Verdrahtungsfehler auf der Baustelle. Altdorf zeigt, wohin der Weg geht.

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