Die ab diesem Jahr gültigen Strompreise waren bei der Bekanntgabe im vergangenen Herbst nicht nur für professionelle Energiewirtschaftler, sondern auch für jeden Hausmann und jede Hausfrau schockierend. Und dass das Ganze mit dem Gaspreis zu tun habe, das war für die meisten wahrscheinlich neu. Nun, die Preise basieren auf den Ideen des europäischen Strommarktes, an dem die Schweiz zwar nicht direkt teilnimmt, an dem sie jedoch via Swissgrid mit ihrem Übertragungsnetz doch beteiligt ist.

Dieser Markt wird seit 2002 über die Stromhandelsbörse EEX European Energy Exchange mit Sitz in Leipzig koordiniert. Dort kann die elektrische Energie frei gehandelt werden. Der Preis ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Basis der Preisfindung ist die Merit Order (englisch für Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit), eine Methode, die sich Ökonomen speziell für den Stromhandel ausgedacht haben und die von der EU sanktioniert ist. Dabei geht es um eine hierarchische Einordnung der verschiedenen Kraftwerktypen, entsprechend den Grenzkosten ihrer Stromerzeugung. Gemäss dieser Methode gelten die Strom-Gestehungskosten des teuersten Anbieters für alle Börsenteilnehmer als Handelspreis.

Die günstigsten Anbieter sind die Erneuerbaren (Fotovoltaik, Wind, Wasser), aber auch die AKWs, weil ihre energetischen Produktionskosten entweder Null (Sonne, Wind, Biogas) und bei der Kernkraft für das Uran sehr niedrig sind. Die AKWs decken einen Teil der Grundlast, weil sie nicht beliebig regelbar sind. Anders sehen die Gestehungskosten bei der Kohleverstromung aus, da deren Förderung finanziert werden muss und der relativ hohe CO₂-Output mit zusätzlichen Kosten für das europäische Emissionszertifikat belastet wird. Der Gaspreis ist stark von der politischen Grosswetterlage abhängig und damit variabel. Damit gehören die Gaskraftwerke zu den teuersten Anbietern. Auf den ersten Blick ist diese Bewertungsmethode störend und wird auch von verschiedenen Ökonomen kritisiert.

Aber es ist zu bedenken, dass die teuren Gaskraftwerke in Konkurrenz zu den günstigeren Erneuerbaren stehen. Langfristig betrachtet könnte es sein, dass der Strompreis dadurch wieder sinkt, da der Anteil der Erneuerbaren am Strommix gemäss ökopolitischen Vorstellungen steigen soll. Damit würde der Gas-Stromanteil sinken, und gemäss den marktwirtschaftlichen Gesetzen müssten die Stromkosten ebenfalls sinken. Aber auch diese Überlegung ist mit Unsicherheit belastet, denn es ist anzunehmen, dass der Stromanteil am europäischen Gesamtenergiemarkt steigen wird und den obigen Effekt wieder aufhebt.

Die gegenwärtige Preissituation ist für die Erneuerbaren günstig, denn ihre Produktionskosten sind, verglichen mit den Kohle- und Gaskraftwerken, tiefer. Damit können sie an der Strombörse höhere Gewinne erzielen. Viele sprechen vom möglichen Übergewinn. Ob dieser anständig ist, ist Ansichtssache. Die Erneuerbaren haben dadurch immerhin mehr Investitionsmöglichkeiten. Unschön ist aber, dass der kleine Fotovoltaik-Besitzer im europäischen Strommarkt im Regen steht, da er seinen Ökostrom mehrheitlich zu einem mickrigen Rücklieferungspreis an seinen Netzbetreiber abgeben muss, der den Strom im Prinzip via EEX gewinnbringend vermarkten kann.


Autor: Hans R. Ris ist Publizist und Autor aktueller Fachbücher in den Fachgebieten Energie- und Lichttechnik


Alle Streiflichter

001: EEX Strombörse – der Teuerste bestimmt
002: Grünstrom aus Island – mit Herkunftsnachweis


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