Drei Start-up-Unternehmer wollen die Baustelle digitalisieren

Siresca-App - Vorgang mit der Augmented Reality App

Eine einfache App, PDFs und ein Smartphone: Mehr brauche es nicht mehr, um auf einer Baustelle die richtigen Positionen für die Elektroanschlüsse zu ermitteln, sagen die Gründer des Startups Siresca.


Text und Bilder: René Senn


«Elektroinstallationen in Rekordzeit» ist der Slogan von Siresca. Am 30. Juni erklärte das Start-up an seiner Keynote in Zürich vor einem ausgewählten Publikum sowie via Livestream, was ihre Software genau leistet und wo ihre Vorteile für die Installateure liegen. Wir haben bereits Mitte Juli auf eTrends.ch darüber berichtet.

Einfach, intuitiv und zuverlässig

«Das Arbeiten auf dem Bau soll schneller, einfacher und gleichzeitig zuverlässiger werden», so das Ziel der drei Start-up-Unternehmer Marcos López, Julien Reutimann und Peter Flury. Mit der Siresca-App hält eine anwenderfreundliche AR-Software auf der Baustelle Einzug, die als Arbeitshilfe digitalisierte zweidimensionale Pläne mit dem realen Arbeitsumfeld verschmelzen lässt.

Abzweigdosen mit dem Smartphone einlegen

Das Kernstück der Siresca-Innovation ist wie erwähnt die AR-App, welche die zuvor digitalisierten zweidimensionale PDF-Pläne via Smartphone-Bildschirm und Kamerafunktion mit der Realität verbindet. Der Installateur kann das Handy zum Beispiel auf den Boden richten und sieht quasi durch die Kamera, wo der nächste Installationspunkt ist. Es steht ihm so ein Augmented-Reality-Abbild (AR) des realen Arbeitsumfeldes zur Verfügung, mit dem er die Lage für die Platzierung von Bohrlöchern, Schalungsschonern, Abzweigdosen und anderer Elemente ermitteln kann. Ergänzend können die Installateure Siresca-Marker für Lampenstellen, Bohrlöcher, Schalungsschoner, Leuchten, Aufsteller und Abzweigdosen setzen und auch Zusätze im PDF-Plan erfassen.

Siresca-App als Abo verfügbar

Das ganze Paket gibt es als Software «as a service». Firmen müssen deshalb ein Abo abschliessen, das den Zugriff auf die Siresca-App sowie auf Siresca Admin umfasst, das als Projektverwaltungs-Tool hauptsächlich der Arbeitsvorbereitung dient. Die Projektleiter können im Admin-Tool die Pläne der Baustellen und der einzelnen Geschosse als PDF hinterlegen und sie für die Installateure freigeben.

Mehr Präzision dank AR

Die Abkürzung «AR» steht für den englischen Ausdruck Augmented Reality, auf Deutsch erweiterte Realität. Der Begriff bezeichnet die Kombination von computergenerierten Inhalten mit der wahrgenommenen Realität. Mit der Siresca-App schaut der Installateur mit der Smartphone-Kamera auf die effektive Decke oder Schalung, die er einzulegen hat, und die App überlagert auf dieses Bild massstabsgetreu den PDF-Elektroplan der Decke. Damit dies funktioniert, muss der Installateur vorab an einem Referenzpunkt beides aufeinander ausrichten. Anschliessend kann er sich frei bewegen und die Objekte mit Hilfe der App einmessen.


Wir haben die Gunst der Stunde genutzt, um Marcos López [ML] und Julien Reutimann [JR] in Frauenfeld einige Fragen zu ihrem Start-up zu stellen.

Wer ist die Firma Siresca?

ML: Initiiert wurde die Innovation vor fünf Jahren, aber erst seit diesem Juli sind wir mit der Lösung am Markt. Dies ist eine lange Durststrecke für ein Unternehmen, wie Sie sich vorstellen können. Der Ursprung der neuen Firma liegt in der Janico Holding AG bzw. Plica AG. Seit der formellen Gründung der Siresca AG im November 2021 sind die Janico Holding AG und die Tinline GmbH gleichberechtigte Aktionäre.

Julien Reutimann, Siresca
Julien Reutimann

Wie lange arbeiten Sie schon an der Siresca App?

JR: An der Version, die jetzt auf den Markt kommt, seit Herbst 2020. Mit dem aktuellen Softwarestand oder Release, wie wir sagen, bieten wir für Installateure bereits einen ersten grossen Mehrwert, und das wohlgemerkt ohne Komplexität. Auf einer älteren Projektskizze stand mal der Satz: «Die Einfachheit führt das Projekt zum Erfolg.» Ich denke, das haben wir bis heute sehr gut hinbekommen.

Auf der Suche nach neuen Investoren

Das ist ja wie beim Whiskey, der auch jahrelang reifen muss. Wie lässt sich eine solche Entwicklung finanzieren?

ML: Durch die beiden Partner, aber natürlich sind wir jetzt auf der Suche nach neuen Investoren, damit wir die Software weiter ausbauen können.

Wer hatte die Idee für die Software?

ML: Wir sprechen eher vom Initianten, und das bin ich. Entstanden ist das Projekt aus einer Projektarbeit während meines EMBA Digital Transformation an der FH Graubünden. Meine Studienarbeit hatte ursprünglich einen anderen Schwerpunkt, ist dann aber schrittweise gewachsen, denn Möglichkeiten gibt es viele. Wir haben aber bald definiert, auf welchen Teil der Software wir als erstes fokussieren und was sie zuerst können muss.

JL: Wir sind beide gelernte Installateure, das hat uns bei diesem Prozess geholfen. Im Zentrum steht deshalb jetzt die AR-Anwendung für Einlegearbeiten, wie wir sie in Zürich vorgestellt haben.

Marcos López, Siresca
Marcos López

«Das Ziel ist es, dass es keine Schulungen braucht»

Die Basis Ihrer Software sind ganz normale 2D-Pläne in Form von PDFs.

ML: Das ist korrekt. BIM ist in aller Munde, das ist keine Frage. Jedoch hat die grosse Masse der Installateure heute die 2D-Pläne sehr häufig nur in Form von PDFs zur Verfügung. Angereicherte Daten, wie sie für BIM benötigt würden, sind erst sehr selten vorhanden.

Ist die Siresca-App eine Konkurrenz zum hardware-intensiven BIM-To-Field mit den Laser-Scannern?

JR: Beide Systeme werden ihre Berechtigung je nach Anwendungsgebiet haben. Die Installation von Trassen, Leuchtenbändern usw. unterscheidet sich ja von den klassischen Einlegearbeiten. Wir denken deshalb, dass beides nebeneinander Bestand haben wird. Natürlich wollen wir die Genauigkeit steigern, aber beim Einlegen kommt es oft nicht auf den Millimeter an.

Sehen Sie Siresca dennoch als Teil von BIM?

ML: Ja, denn diesen Weg haben wir uns nicht verbaut. BIM wird in der Weiterentwicklung der App sicher eine Rolle spielen. Vieles ist bereits heute vorgesehen. Wir werden bereit sein, wenn es so weit ist.

Wie ist der Start im Juli verlaufen?

ML: Unser Ziel sind 1000 aktive Kunden Ende Jahr. Mit den meisten Top-Installateuren der Schweiz stehen wir schon im regen Austausch, so viel kann ich verraten.

Gibt es Kurse oder Schulungen für Admins und Installateure, oder ist die Software intuitiv genug?

ML: Das Ziel ist es, dass es keine Schulungen braucht. Wir haben auch keine vorgesehen. Nur unsere direkten Partner und den Vertrieb sowie die Grosshändler EM und Sonepar haben wir geschult.

JR: Unsere ersten Erklärvideos auf Youtube zeigen schon recht gut, wie es geht. Sobald wir wieder etwas Zeit haben, werden wir sie noch verbessern. Für Kunden bieten wir einen Support sowie ein FAQ mit den wichtigsten Fragen auf einer Webseite, die wir seit den Feldtests kontinuierlich aufgebaut haben. Dazu gehört zum Beispiel auch eine Liste mit den kompatiblen Smartphones.

Trotz vieler neuen Nutzer nur wenige Support-Anfragen

Seit wann laufen die Feldtests?

JR: Seit April dieses Jahres sind erste Installateure involviert, die bereits mit der Vorversion der Software gearbeitet haben. Diese Firmen sind gerne bereit, mit unseren Betaversionen weiterzuarbeiten. Die Installateure und ihre individuellen Erfahrungen aus der Praxis werden somit in die zukünftige Entwicklung mit einbezogen.

Wie lösen Sie das mit den Updates, die es sicher geben wird?

JR: Wir betreiben drei Plattformen: die erste für die Entwicklung, die zweite für die Tests durch eine ausgewählte Anzahl Installateure und als dritte den Live-Server. Laufen die Tests erfolgreich, wird die Testversion auf den Live-Server übertragen, und ab dann profitieren alle Siresca-Kunden von den neuen Funktionen.

Wie läuft der Vertrieb der Software?

ML: Derzeit über die drei Partner EM, Sonepar und Tinline. Sie sind geschult, können die Produkte vertreiben und detailliert Auskunft über die Funktionen geben. Sie verkaufen die Software aber nicht.

Und wie und wo kauft dann ein Kunde die Software?

JR: Der Verkauf läuft ausschliesslich über unsere Siresca-Webseite, das ist mit den Partnern so abgesprochen. Die Software gibt es aber nur als Abo, von Verkauf zu sprechen, wäre somit nicht ganz richtig.

Warum hat der Grosshandel Interesse an dieser Lösung, wenn er sie nicht verkaufen kann?

ML: Die Grosshändler, die bei uns Partner sind, wollen die Innovation als solche unterstützen. Sie erhalten eine Provision für eine erfolgreiche Vermittlung. Zudem stellt die App eine tolle Innovation für die Branche dar, das war attraktiv für die beiden Grosshändler.

Gibt es schon die ersten Feedbacks von Kunden, die nicht in die Entwicklungsphase involviert waren?

JR: Ein gutes Zeichen in der jetzigen Situation ist, dass wir trotz vielen neuen Nutzern nur wenige Support-Anfragen erhalten. Die Plattform, Projektverwaltung und die Anwendung auf der Baustelle sind sehr einfach gehalten. Dies stellt sich jetzt als grosser Vorteil heraus. Dies bestätigen auch Stimmen aus dem Markt, die Siresca cool, einfach zu bedienen und intuitiv finden.

Siresca unterstützt das zeitgleiche Arbeiten von mehreren Personen

Wie kommt der Plan auf das Smartphone des Installateurs auf der Baustelle?

JR: Der Projektleiter kann in seinem Firmenaccount in Siresca-Admin die Pläne aller Baustellen hinterlegen. Der Installateur vor Ort wählt die Baustelle, und die App lädt die nötigen Daten auf sein Smartphone. Umgekehrt sieht der Projektleiter im Büro laufend die Fortschritte oder Anmerkungen, die der Installateur auf den Plänen macht, und kann so den Baustellenfortschritt in Echtzeit mitverfolgen.

Können auch mehrere Installateure gleichzeitig mit mehreren Smartphones in demselben Raum mit demselben Plan arbeiten?

JR: Ja, das ist kein Problem. Siresca unterstützt das zeitgleiche Arbeiten von mehreren Personen im selben Raum.

Was ist, wenn die Cloud-Plattform genau dann nicht funktioniert, wenn ich auf der Baustelle am Einlegen oder Anzeichnen bin?

JR: Die Software funktioniert auf dem Smartphone auch offline. Nach dem Login sind alle Projektdaten immer automatisch auf dem Smartphone zwischengespeichert. So wird sichergestellt, dass keine Fehler passieren. Sobald das Smartphone via mobiles Netz oder WLAN wieder Verbindung mit dem Siresca-Server aufnehmen kann, werden die Daten sofort wieder synchronisiert.

Alle Daten sind verschlüsselt

Wie funktioniert der Datenschutz bei den Plänen, die die Installateure auf die Plattform laden?

JR: Die Daten sind alle verschlüsselt. Wir sind in der Schweiz datenschutzkonform, und somit ist das von unserer Seite her schon sichergestellt. Unsere Nutzer werden bei der Registrierung darauf hingewiesen.

Welche Möglichkeiten habe ich in der App, wenn die Baustelle mit dem Plan nicht übereinstimmt?

ML: In diesem Fall bietet die App einen grossen Vorteil. Dank der AR-Funktion, mit der ich den PDF-Plan und die Decke gleichzeitig sehe, sehe ich auch die Fehler bzw. die fehlende Übereinstimmung viel schneller und kann reagieren. Ich kann dann z.B. einen Marker setzen mit einer Bemerkung.

Welche Ausbauschritte sind geplant?

ML: Die Pipeline ist gross und lang. Wir haben eine gute und spannende Vision, wie wir die Elektroinstallation vereinfachen und weiterentwickeln können. Aber darüber wollen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts erzählen.

Gibt es auch eine französische Version?

ML: Die Romandie wird folgen, einen genauen Termin kann ich jedoch noch nicht nennen.

Viel Erfolg weiterhin mit Siresca und allen Ihren Kunden! Wir sind gespannt und werden die Erfolgsgeschichte gerne verfolgen. Danke für das Interview.

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